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Schattenmelodie

Schattenmelodie

Titel: Schattenmelodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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gesehen. Aber dass es nach Danzig führt, das hätte ich jetzt nicht aus dem Kopf gewusst.“
    „Obwohl dort deine Wurzeln sind?“
    „Wahrscheinlich genau deswegen.“
    Die dunkelblauen Blätter waren rund wie Centstücke und die Blüten sahen aus wie Tausendschönchen. In der Mitte waren sie jedoch grün, während die vielen strichförmigen Blütenblätter grün und rot leuchteten. Janus pflückte eine Handvoll Blüten und schüttete mir davon die Hälfte in die Hand.
    „Bist du sicher, dass es wirklich das Richtige ist?“
    „Natürlich nicht“, scherzte er. „In Wirklichkeit will ich dich nach Honolulu entführen.“
    Ich schmunzelte. „Du meinst, ich habe gerade keine andere Möglichkeit, als dir blind zu vertrauen.“
    „Genau das meine ich.“
    Janus nahm wieder meine Hand. Dann steckten wir jeder unsere Hand Blüten in den Mund und kauten sie gründlich. Sie schmeckten irgendwie nach …
    „Gummibärchen“, riefen wir zugleich und mussten lachen.
    Der Wald, die Lichtung und der Sylphenwirbel verschwanden aus meiner Wahrnehmung. Vor mir begann sich ein Tunnel aufzutun, der gänzlich aus Minnerennienkraut bestand, die Decke, die Wände, der Boden – alles blaue Blätter und rotgrüne Blüten wie Tapeten. Wir liefen los. Der Boden unter mir fühlte sich an wie ein ebenes Laufband in einem großen Flughafen. Eine Weile liefen wir darauf, vielleicht zwei oder drei Minuten. Die Blümchen schmeckten nicht nur nach Gummibärchen, sie rochen auch danach.
    Dann begann sich der Tunnel zu weiten. Sonnenlicht strahlte herein. Die Blumentapete ringsherum löste sich auf, ich hörte ein Rauschen. Das war Meeresrauschen, und schon gingen wir auf feinem, hellgelbem Sand, der glitzerte, als wäre er mit unzähligen winzigen Edelsteinen durchsetzt, während sich vor uns die tiefgrüne See erstreckte. Eine frische Brise wehte mir ins Gesicht und ich sog sie in vollen Zügen ein.
    „Wie schön. Das magische Meer des Nordens!“, rief ich aus und hielt der Brise meine ausgebreiteten Arme entgegen.
    „Des Nordens?“
    „Na, es gibt doch auch noch eins im Süden.“
    Janus lachte. „Neve, es gibt nur ein magisches Meer.“
    „Tatsächlich? Dann liegen alle magischen Blasen, ob in Japan, Italien oder Polen, am selben Meer? Das war mir bisher noch gar nicht klar.“
    „Du hast wohl kein bisschen aufgepasst in magischer Geographie“, scherzte er.
    „Wieso sollte ich? Ich lass mich lieber überraschen!“
    „Gute Ausrede, wenn man in Wirklichkeit ein Reisemuffel ist.“
    Janus schien ziemliches Vergnügen daran zu haben, mich aufzuziehen. Ich bückte mich und warf eine Handvoll Sand nach ihm. Er landete genau im Ausschnitt seines Shirts.
    „Das hättest du lieber nicht tun sollen!“
    Janus stürzte auf mich zu. Ich lief weg, aber natürlich hatte er mich in nur wenigen Schritten eingeholt und warf mich in den Sand, hielt mich an beiden Handgelenken fest, eine seiner Locken kitzelte mich im Gesicht. Er grinste mich siegesgewiss an. Hatte er etwa vergessen, dass er es mit einem Engel, nein, einer Ätherbegabten zu tun hatte? Ich verwandelte mich in Luft und befreite mich mühelos aus meiner Gefangenschaft. Er drehte sich um und schaute in den Himmel.
    „Feigling“, murrte er.
    Ich betrachtete Janus einige Augenblicke, wie er unter mir im Sand lag. Er sah einfach toll aus. Ich konnte gar nicht glauben, dass er mir gehörte! Dann stürzte ich mich auf ihn, bedeckte seinen Körper mit meinem und nahm wieder Gestalt an. Meine Hände verschränkten sich in seine und unsere Nasenspitzen berührten sich fast. Janus hob ein wenig den Kopf und wollte mich küssen. Im letzten Moment drehte ich jedoch den Kopf weg.
    „Es tut mir leid“, sagte ich, ließ Janus los und stand wieder auf.
    „Schon okay“, sagte er nur, aber sein Tonfall klang schon ein wenig enttäuscht.
    „Ich … Es ist …“ Ich musste ihm sagen, warum ich nicht konnte. Ich musste ihm das auch noch erzählen. Aber … Die Geschichte war einfach so peinlich.
    „Nun, vielleicht sind wir doch einfach nur Freunde?“, sagte er.
    Wie konnte er nur so etwas sagen? Meinte er das etwa ernst? Wahrscheinlich war es die einzige Interpretation, die jemandem einfallen konnte, wenn das Gegenüber einen nicht küssen wollte. Nein, aber wir waren deshalb nicht „nur Freunde“!
    „Ich …“, fing ich wieder an und hasste diese Sätze, die nicht über ein Ich hinauskommen wollten.
    „Komm“, sagte er, als hätten wir über das Wetter gesprochen. „Wir haben heute

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