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Schattenmelodie

Schattenmelodie

Titel: Schattenmelodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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Schulter. Ich spürte seine Wärme und lauschte seinem ruhigen Atem, lag an seine linke Seite geschmiegt und hörte sein Herz schlagen.
    Bis tief in die Nacht hinein hatten wir über unsere geplante Fahrt nach Danzig gesprochen. Viel zu lange hatte ich so getan, als gäbe es keine Vergangenheit in meinem Leben, und jetzt konnte ich keine Stunde länger warten, die Sache mit meinem Vater zu enträtseln. Wir wollten uns gleich heute auf den Weg machen.
    Wie selbstverständlich waren wir zum Schlafen nach oben gegangen. Als Janus mit Shirt und Shorts bekleidet aus dem Badezimmer kam, lag ich bereits in seinem großen Sweatshirt, das er mir zum Schlafen gegeben hatte, unter der Decke.
    Er legte sich neben mich. Ich drehte mich zu ihm und berührte mit der Hand vorsichtig seinen Bauch.
    „Du bist so warm“, flüsterte ich.
    „Ich bin ja auch Feuer“, scherzte er.
    Ich rückte ein wenig näher und er legte seinen Arm unter meinen Kopf. Eng aneinandergeschmiegt waren wir eingeschlafen.
     
    „Guten Morgen, mein Engel“ hörte ich eine verschlafene Stimme neben mir und wandte den Kopf in ihre Richtung.
    „Veralberst du mich?“
    „Keineswegs. Mich würde nur interessieren, ob du gut geschlafen hast.“
    „Ich hatte ganz vergessen, wie schön es ist, nicht allein zu schlafen“, antwortete ich verträumt.
    Janus drehte sich so zu mir, dass seine Augen ganz dicht vor meinen waren und lächelte mich an. Ich sog seinen einmaligen Duft ein. Er strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Mein Herz begann zu klopfen. Ich wollte am liebsten … Ich wollte … Was wollte ich? Über ihn herfallen? Ihn kü… Sofort stieg Panik in mir auf. Dabei konnte ich doch sicher sein, dass Janus niemals so etwas tun würde, was der Junge in der Schule getan hatte.
    Janus entfernte sich wieder und setzte sich auf. Er sah auf mich herab und sagte: „Dann mal raus aus den Federn. Ich kann es gar nicht erwarten, dir meine Heimat zu zeigen!“
    Ich war irgendwie enttäuscht und gleichzeitig beruhigt. Janus bedrängte mich nicht. Dafür hätte ich eigentlich schon wieder über ihn herfallen können. Nein, hätte ich nicht. Doch! Ach … aber wir hatten ja Zeit.
     
    Das Reisen in der magischen Welt war mit dem Reisen in der realen Welt in keinem Punkt vergleichbar. Zeit und Raum waren ausgehebelt und so gelangte man spielendleicht in Nullkommanichts ans andere Ende der Welt. Man brauchte dafür keine komplizierten Fahrzeuge, es kostete nichts und man musste sich keine großen Sorgen um wichtige Dinge machen, die man eventuell zu Hause vergessen hatte. Ein kleiner Ausflug zurück und man packte sie einfach noch ein.
    Allerdings barg es auch Gefahren. Grundkenntnisse in Botanik waren unabdingbar. Bestimmte Pflanzen fungierten nämlich als Durchgangsportale zu den anderen Blasen. Man musste wissen, wo man sie im magischen Wald fand und durfte sie nicht mit anderen Pflanzen verwechseln. Sonst passierte es, dass man irgendwohin gelangte, wo man überhaupt nicht hinwollte. Pflanzenkunde gehörte an der Akademie deshalb zu den wichtigsten Fächern. Je besser man darin aufpasste, desto sicherer konnte man sich durch die magischen Blasen der Welt bewegen. Ich hatte dieses Fach zum Glück geliebt, weil ich die Natur liebe.
    Janus und ich machten uns auf den Weg in die magische Welt. Um den Verschiebungen aus dem Weg zu gehen, verabredeten wir uns am Ätherdurchgang und hofften, dass zwischen den Durchgängen keine größeren Verschiebungs-Fallen lauerten. Sie lagen immerhin sehr dicht beieinander. Es war weniger weit, als bis zu meinem Turmhaus oder zur Akademie. An mein magisches Buch mit der Pflanzenenzyklopädie kam ich so allerdings nicht mehr heran. Eigentlich war es Pflicht, es beim Reisen bei sich zu tragen, aber Janus kannte das Pflanzenportal nach Danzig und war sich sicher, das Kraut mit keinem anderen zu verwechseln.
    Ich verstaute meine Wintersachen in dem hohlen Baumstumpf beim Ätherdurchgang, setzte mich darauf und wartete, während ich die Sonne genoss. Janus würde um einiges länger brauchen, weil er nicht gleich losfliegen konnte wie ich und sein Durchgang sich auch nicht in der Mitte der Stadt befand, sondern am südlichsten Zipfel.
    Lilonda schwebte an der Klippe auf und ab und sah mal wieder so aus wie ich. ‚Neve, du bist ganz anders. Das spüre ich. Was ist passiert?’
    „Lilonda“, antwortete ich und freute mich irgendwie über dieses Elementarwesen, das mit seiner Neugier viel „menschlicher“ wirkte, als die anderen.

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