Schattenmelodie
sich.
„Danke“, sagte ich und meinte nicht nur die Grütze. Else war ein Mensch, der einfach gut tat. Sie sorgte nicht nur für das leibliche Wohl, sondern auch für das seelische.
Janus beschloss, gleich nach dem Essen den Weg nach Hause anzutreten. Sein Antiquariat wartete und mit ihm ein wichtiger Kunde, den er nicht versetzen wollte.
Ich wollte zunächst eine Nacht in meinem Turmhaus schlafen, noch einmal den Brief von meinem Vater lesen, vielleicht zum Friedhof gehen, um das Grab meiner Oma zu besuchen, und über alles nachdenken. Außerdem wollte ich Grete wiedersehen und Kira hatte mich für den nächsten Tag zum Frühstück in ihr neues Haus eingeladen.
Wir verabschiedeten uns vor dem Eingang zur Akademie.
„Das war eine aufregende Reise“, sagte Janus. Wir standen uns gegenüber. Ich wäre ihm am liebsten um den Hals gefallen, aber fühlte mich zu schüchtern, hier, in der Akademie, wo mich jeder kannte.
Janus schien das zu merken. Er strich sich seine dunklen Locken aus dem Gesicht. Sofort dachte ich daran, wie weich sie sich auf meiner Haut anfühlten, und ich spürte Wärme in meine Wangen steigen. Janus entging die aufziehende Röte natürlich nicht. Er hob die Hand und berührte mein Gesicht.
Ein Schauer lief über meinen Rücken. Unwillkürlich wich ich seiner Berührung aus, obwohl ich mir das Gegenteil wünschte und sagte: „Danke, dass du mich nach Danzig mitgenommen hast. Ich bin so froh, dass wir dort waren. Sehr froh … wegen allem!“
„Kommst du bald mal wieder „rüber“?“, fragte er und ließ seine Hand sinken.
„Natürlich. So schnell wie möglich! Ich muss doch zu Charlie und …“ Ich biss mir auf die Zunge, weil ich schon wieder von Charlie anfing.
Aber Janus sagte: „Ganz sicher wartet sie schon auf deinen Besuch. Ich möchte auch gern wissen, wie es ihr geht. Ich hoffe gut.“
Er gab mir ihre Adresse. Ich erfuhr, dass sie eine kleine Wohnung in der Villa ihres Vaters bewohnte.
„Aber danach komme ich sofort“, versicherte ich Janus.
„Ich kann es gar nicht erwarten“, antwortete er.
„Ich auch nicht“, gab ich zu, aber so leise, dass ich nicht sicher war, ob er mich verstand. Doch er schien mich genau gehört zu haben, um seinen Mund spielte ein Lächeln.
Hinter uns liefen Studenten vorbei und es kam mir so vor, als würden sie mich alle beobachten. Janus reichte mir sehr förmlich die Hand. Aber das kam für mich überhaupt nicht infrage. Ich ignorierte sie, umarmte ihn und legte meinen Kopf an seine Brust. Sofort hüllte mich sein Duft ein. Janus strich mir über das Haar. Ich sah zu ihm auf. Schon wieder so ein Moment, wo man sich eigentlich küsste. Aber ich brachte es nicht fertig. Ich löste mich von ihm und sagte: „Bis morgen.“
Seine dunklen Augen leuchteten mich erfreut an. „Ich stell schon mal den Glühwein warm.“
Wir lächelten uns an. Dann drehte er sich um und machte sich auf den Weg. Ein wenig besorgt schaute ich ihm hinterher. Ob er genug Geduld mit mir haben würde?
Ein freudiges „Hallo“, riss mich aus meinen Gedanken, während ich auf der Treppe vor der Akademie saß und immer noch dorthin sah, wo Janus vor einer Weile im Wald verschwunden war. Grete boxte mich mit der Faust spielerisch in den Oberarm. „Cool, dass du mal vorbeikommst. Ich habe gehört, du hast die magische Blase gerettet!“ Sie grinste.
„Ich? Nein. Kira hat das getan.“
„Ja, Kira auch. Ihr seid mir echt magische Leute.“
Grete schien sich in der magischen Welt wohlzufühlen. Das sah man ihr an.
„War das nicht Janus, mit dem du hier vorhin rumgekuschelt hast?“
Ich sah sie verwundert an.
„Hab euch von oben aus dem Seminarraum beobachtet, sorry. War er doch, oder?!“
„Ja, war er.“
Grete setzte sich zu mir auf die Stufen. „Bist du endlich mit ihm zusammen?“
Hm, wenn sie das fragte, hatte es wohl nicht eindeutig danach ausgesehen – weil wir uns nicht geküsst hatten.
„Brauchst nicht gleich rot zu werden. Wird doch mal Zeit, dass du einen Freund hast. Ich finde, er passt viel besser zu dir als Tom.“ Grete fing eine Blüte auf und spielte mit ihr herum.
„Tom? Wieso Tom?“
„Du hast mal auf Tom gestanden, klare Sache. Hab ich gleich gemerkt. Aber das war verpeilt. Kann jedem mal passieren. Wenn man verpeilt ist, verpeilt man sich auch in der Liebe. Ist so.“
Oh je, wenn Grete das mitbekommen hatte, dann hatte Tom es vielleicht auch bemerkt? Wie peinlich. Ich staunte, wie Grete drauflosredete. Sie war immer
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