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Schattenmelodie

Schattenmelodie

Titel: Schattenmelodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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als ich hereinkam und sie begrüßte.
    „Wie war dein Tag?“, begann ich, aber Kira zuckte nur mit den Schultern und nippte weiter an ihrem Tee.
    „Gibt es was Neues wegen dem Eindringling?“, fragte ich vorsichtig.
    „Nichts Neues.“ Kira gab sich einsilbig und sah mich nicht an.
    Irgendetwas stimmte nicht. War sie vielleicht sauer auf mich? Und dann fiel es mir siedend heiß ein. Oh je, wahrscheinlich hat sie herausgefunden, dass ich Leo weggeschickt hatte.
    Sie stand auf und räumte ihre Tasse in den Abwasch.
    „Alles in Ordnung?“, versuchte ich es noch einmal.
    „Ich bin müde. Ich geh schlafen.“ Kira sah mich immer noch nicht an und bewegte sich Richtung Treppe. Ich musste ihr erklären, warum ich Leo abgewimmelt hatte, dass ich doch nur wollte, dass es ihr gut ging.
    „Kira, also, bestimmt findest du nicht gut, dass ich mich einmische, aber … also … So als Freundin … ich mein, ich bin doch deine Freundin, oder …“
    Kira drehte sich zu mir und sah mich endlich an.
    „Ist es wegen Leo? Du hast ihn letztens weggeschickt, obwohl ich noch gar nicht geschlafen habe. Du magst ihn nicht, stimmt’s?! Ich bin sogar zu müde, um noch sauer zu sein.“ Sie wandte sich wieder der Treppe zu.
    „Tut mir leid, ich …“, rief ich.
    „Vergiss es einfach, okay?! Mit Leo ist eh nichts Ernstes.“
    Kiras resignierter Tonfall irritierte mich. Gleichzeitig war ich erleichtert.
    „Tut mir trotzdem leid, ich …“
    „Ich hatte wirklich schon fast geschlafen. Es war richtig, dass du ihn weggeschickt hast und jetzt mach dir keinen Kopf mehr, Ja?! … Ich bin furchtbar müde, weißt du …“
    Vielleicht war ihr alles völlig egal, weil sie wirklich einfach furchtbar müde war.
    „Okay, dann schlaf gut.“ Ich umarmte sie einfach. Ich war auf einmal voller Dankbarkeit, weil sie mir verzieh, weil es ihr gut ging, weil sie meine Freundin war. Ich wollte, dass sie spürte, dass ich immer für sie da war. Sie erwiderte die Umarmung und stieg dann die Stufen hinauf.
    „Ich bin heute Nacht unterwegs, hab da einen schwierigen Fall draußen. Der braucht mich“, rief ich ihr hinterher.
    „Oh, na dann viel Erfolg. Und gute Nacht“, sagte sie nur und verschwand in ihrem Zimmer. Sie fragte überhaupt nicht nach. Das war ganz untypisch für sie. Sie musste wirklich sehr müde sein. Immerhin hieß das, ich konnte sie getrost die Nacht allein lassen.
     

Kapitel 9
     
    Die ganze Stadt war mit Raureif überzogen. Es war acht Uhr in der Früh und die Hauptstraßen komplett mit Autos verstopft. Die Menschen liefen eilig über die Pflastersteine und atmeten kleine Wolken aus. Ich hatte mein Lieblingswinteroutfit angezogen, einen weißen Mantel, dazu eine weiße Wollmütze mit Zöpfen und Bommel und meine dick gefütterten weißen Stiefel, die vorne bis zu den Knien geschnürt waren. Ich ging vom Alexanderplatz bis zum Wetterplatz zu Fuß, sichtbar wie alle anderen, um dann lange genug in Toms Zimmer abtauchen zu können.
     
    Tom lag in seinem Bett auf dem Rücken und schlief. Seine Bettdecke war völlig zerwühlt. Das eine Ende hing auf dem Boden, mit dem anderen bedeckte sie ihn noch bis zum Bauchnabel. Allerdings schauten seine Füße heraus.
    Ich stand vor ihm und betrachtete ihn, sein Gesicht so entspannt, die großen, schönen Hände mit den langen Pianistenfingern auf der Decke ruhend. Er trug am linken Mittelfinger einen Ring mit dem Symbol für Yin und Yang. Mein Blick wanderte wieder zu seinem Gesicht. Jetzt bewegten sich seine Augen unter den geschlossenen Lidern. Perfekt! Am frühen Vormittag träumten die meisten Menschen etwas, wenn sie schliefen. Ich hockte mich an sein Kopfende, konzentrierte mich und versuchte, eine Verbindung zu seinem Unbewussten herzustellen.
     
    Erst bewegte ich mich nur durch dunkle Wirbel. Ich wusste nicht, was sie bedeuteten. Dann begriff ich, dass es Wasser war. Ein Taifun auf dem Meer, und Tom träumte, er wäre mittendrin. Das Wasser toste unter einem schwarzen Himmel. Er ruderte hilflos mit den Armen und schrie. Aber sein Schreien war gegen den Krach des Wassers ein Witz.
    Ich konnte Elemente für einen Traum erfinden, hatte aber keinen Einfluss darauf, wie der Träumende damit umging. Ich schickte ihm einen Delphin, der von unten kam, die Flosse genau unter seine Hände schob und ihn mitzog zu einer Insel, die ich vor ihm auftauchen ließ. Doch Tom wehrte sich unsinnigerweise gegen das Tier, verletzte es, sodass es wieder abtauchte und verschwand.
    Mist, ich musste mir

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