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Schattenmelodie

Schattenmelodie

Titel: Schattenmelodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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sollst.‘
    Grete wandte sich unwirsch zur Seite, allerdings zu jener, auf der ich mich nicht befand. „Halt die Klappe, verstanden?! Du weißt kein bisschen, worum es geht!“
    Okay, sie nahm mich definitiv nicht wahr, wie vielleicht Kartoffelecken-Jonny. Aber sie wollte die Stimme in sich, die sie zur Vernunft zu bringen versuchte, auch nicht als ihre eigene annehmen.
    ‚Also, vertagen wir das. Die dummen Bullen sind weg. Das hier ist eh nicht das richtige Dach‘, entschied sie.
    Grete ließ sich auf den Bauch gleiten und robbte über das Dach auf die Luke zu, die auf den Dachboden führte, obwohl es erst jeweils drei Meter links und rechts von ihr in die Tiefe ging. Sie hatte eindeutig Höhenangst. Nur, warum wollte sie sich dann umbringen, indem sie sich von irgendwo runterstürzte? Seltsam.
    Ich musste mir jedenfalls schnell was einfallen lassen. Morgen würden wieder die „Bullen“ kommen, denn Grete würde garantiert wieder nicht zur Schule gehen. Es war sehr wahrscheinlich, dass sie erneut auf das Dach klettern würde. Irgendwie musste ich sie hinhalten, Zeit gewinnen. Ich war bisher noch nie in die Nähe eines Menschen gekommen, der gerade vorhatte sich umzubringen. Zeit gewinnen war erst einmal das Wichtigste. Zeit, um vielleicht eine Veränderung zu bewirken, etwas für denjenigen zu finden, ihn auf eine Spur zu bringen, auf der es sich lohnte, weiterzuleben.
    Liegend versuchte Grete, den Holzdeckel zur Seite zu schieben, der den Einstieg zum Dachboden schützte.
    ‚Wenn du mir versprichst, den Rest der Woche zur Schule zu gehen, werde ich dir verraten, wer ich bin‘, versuchte ich, das Gespräch wieder aufzunehmen. ‚Nächsten Sonntag.‘
    Oh je, das war riskant. So etwas hatte ich noch nie versprochen. Ich würde ihr natürlich nicht die Wahrheit sagen können. Es war verboten, fremde Menschen in die Existenz der magischen Welt einzuweihen. Es barg zu viele Gefahren.
    Grete hielt inne und sah sich um. Ein kleines Lächeln spielte um ihre Lippen. Ich rechnete mit weiteren Fragen, aber sie antwortete schnippisch: „Morgen ist frei wegen Lehrerkonferenz, übermorgen Wandertag und Freitag hab ich eh nur zwei Stunden Sport. Die Sporthalle ist in einer anderen Schule. Die Bullen können mich also mal.“
    ‚Gut, dann eben nicht‘, antwortete ich gleichmütig.
    Ihr Lächeln verschwand. Um ihre Mundwinkel zuckte es.
    „Übernächsten Sonntag!“, bestimmte sie in einem Ton, als würden wir illegale Geschäfte machen.
    ‚Nun gut, wo treffen wir uns?‘
    „Hier natürlich“, sagte sie mit Nachdruck. „Wenn du mich verarschst, dann springe ich, und zwar vor deinen Augen … falls du welche hast.“
    ‚Wir haben eine Abmachung‘, antwortete ich und war erleichtert. Sie stieg in die Luke auf die Eisentreppe und verschwand im Innern des Hauses, ohne sich noch einmal umzudrehen.
    Meiner Meinung nach war ich jetzt eine Fantasiegestalt in Gretes Vorstellung, die sie dazu brachte, die nächste Schulwoche in Angriff zu nehmen. Zudem wollte sie erst springen, wenn ich mich in ihrer Nähe befand. Das hieß, sie würde keine Dummheiten machen, während ich abwesend war. Ich vertraute darauf. Ich spürte, dass sie es ernst meinte, als hätte sie nur auf jemanden gewartet, dem es wichtig war, dass sie sich nichts antat.
     

Kapitel 10
     
    Seit einigen Stunden lag ich auf dem weißen Sofa unter der in allen Farben flimmernden Kuppel meines Lieblingsortes, tat nichts anderes, als in das blühende Tal hinunterzuschauen und versuchte, die Ereignisse in meinem Kopf zu ordnen.
    Nach meinem Abkommen mit Grete war ich wie gewohnt nach Hause geflogen, aber hatte es nur bis zur Haustür geschafft, wo Ranja bereits mit einer Hiobsbotschaft auf mich wartete. Kira hatte Tim aus dem Grünen Raum befreit und war mit ihm geflohen. Sofort fiel mir ihre Einsilbigkeit am Abend davor ein – von wegen müde! An der Nase hatte sie mich herumgeführt und nur darauf gewartet, bis ich verschwunden war!
     
    Inzwischen waren zwei Tage vergangen, seit Kiras Welt Kopf gestanden hatte und meine gleich mit.
    Kira hatte schreckliche Rache an ihrem Vater Gregor geübt, der ihr ein Leben lang ihre wahre Herkunft verschwiegen hatte. Zuerst hatte sie in seinem Büro in der Friedrichsstraße randaliert und dann die Wasserkläranlage im Berliner Norden verwüstet, und ich hatte sie gerettet. Aber sie hat tief bereut, was sie angerichtet hat, der Rat war daraufhin milde mit ihr verfahren und nun war sie wieder zurück in der magischen

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