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Schattenmelodie

Schattenmelodie

Titel: Schattenmelodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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Erklärung schuldig wegen meiner Flucht.
    Janus hielt meinen Mantel hoch. „Schau, was ich dir mal wieder mitgebracht habe. Wollte mich gerade auf den Weg zu dir machen. Ich schätze, du brauchst ihn.“
    Ich steuerte auf ihn zu, merkte, wie der Druck hinter meinen Augen wieder verschwand und lächelte zurück. „Na ja, einen Ersatz hatte ich noch“, sagte ich und wies auf meinen zweiten Mantel, den ich gerade trug.
    „Dann behalte ihn lieber an. Denn wenn du heute alle beide vergisst, wird es wirklich ungemütlich.“ Er zog mir einen Stuhl hervor.
    „Komm, setz dich. Was möchtest du trinken?“
    „Nichts“, antwortete ich viel zu schnell und nahm Platz. „Das mit gestern …“, begann ich.
    „Nein, nein, nein …“ Janus hob abwehrend die Hände. „Mach dir bloß keine Gedanken darum. Ich verstehe alles. Ich hoffe nur, dass es dir heute wieder viel, viel besser geht.“
    „Oh ja, vielen Dank. Und der Glühwein war lecker, wirklich. Nicht dass du denkst …“
    „Ich weiß, ich weiß. Ich bin mir sicher, dass du ihn nicht runtergewürgt hast, während du in Wahrheit dachtest, dass er widerlich schmeckt.“
    Er lachte und ich lachte mit. Mein Lachen erstarb allerdings, als sich die Kneipentür öffnete und Charlie erschien. Ihre weiße Wollmütze, unter der ein schwarzer Pony hervorschaute, und der knallrote Lippenstift bildeten einen tollen Kontrast. Dazu trug sie eine dicke graue, wuschelweiche Felljacke, darüber eine weiße Weste, weiße Handschuhe, dazu schwarze Röhrenjeans und schwarze Stiefel mit roten Plateauabsätzen.
    Sie steuerte auf den Ausschank zu und schwang sich auf einen Barhocker.
    Ich konnte nicht verstehen, was sie sagte, der Geräuschpegel im Raum war zu hoch, aber offenbar bestellte sie ein Bier. Tom schaute auf … und ich sah ihn zum ersten Mal an diesem Tag lächeln. Sofort machte er sich daran, ihr ein Bier zu zapfen und stellte es vor sie hin. Und dann plauderten sie. Zwischendrin zog Tom ein ernstes Gesicht. Es sah fast bockig oder resigniert aus. Aber dann berührte Charlie ihn am Arm, einfach so. Er ließ es geschehen. Und sie lachte und lachte. Sie sagte irgendetwas zu Viktor. Auf einmal schnappte sich Tom seine Jacke und verließ zusammen mit Charlie die Kneipe.
    „Hörst du mir überhaupt zu?“, hörte ich Janus fragen.
    Er hatte auf mich eingeredet, aber seine Stimme war zu einem Hintergrundgeräusch geworden, während ich nur ganz knapp an ihm vorbeischaute, um Charlie und Tom an der Theke zu beobachten.
    Janus folgte meinem Blick und sah, wie Tom und Charlie die Tür öffneten und nach draußen verschwanden.
    Ehe ich was sagen konnte, stand Viktor an unserem Tisch. „Tom hat sich gerade frei genommen. Also, wenn du willst, kannst du doch heute …“
    „Nein, kann sie nicht“, unterbrach Janus ihn. „Wir müssen los.“
    Janus erhob sich, kramte das nötige Kleingeld zusammen und gab es Viktor in die Hand. „Du schaffst das schon, oder?!“, ergänzte er mit einem Lächeln.
    „Ja, klar, ich dachte nur …“
    Im ersten Moment wollte ich widersprechen. Aber Janus klang so resolut. Hatte Tom Viktor beauftragt, mich zu fragen, oder war das Viktors Idee gewesen? Das konnte ich natürlich nicht wissen. Aber das war jetzt auch egal, ermahnte ich mich. Tom hatte sich wie ein Idiot benommen. Und ich hatte ein Recht, sauer auf ihn zu sein. Auch wenn einem Engel das nicht gut stand. Ich war nun mal kein richtiger Engel, verdammt! Janus zog seinen Mantel an, setzte den Hut auf und nahm meinen zweiten Mantel über den Arm. Er ging vor und ich folgte ihm.
    „Wo gehen wir denn hin?“
    Janus tat noch ein paar Schritte, dann sagte er: „Puh, ich dachte, du musst erst mal da raus. Du sahst mir auf einmal so käsig um die Nase aus.“
    „Tatsächlich?“ Ich befühlte unwillkürlich meine Nase. Wo waren Tom und Charlie so plötzlich hingegangen? Niemals würde ich wie Charlie sein. Niemals, erkannte ich.
    „Du bist verliebt in ihn, stimmt’s?“, sagte Janus auf einmal. Seine Worte trafen mich wie ein Speer mitten durchs Herz. Ich spürte an der Stelle, wo es war, ein ungewohntes Stechen.
    Oh je, ich spürte mein Herz – es tat weh! Ich wollte irgendwas darauf erwidern, es auf der Stelle abstreiten. Janus sollte als letzter erfahren, dass … Aber nichts, nichts kam heraus aus meinem Mund. Kein einziges Wort, nur zwei wenig klingende Buchstaben. „Pff …“, machte ich.
    „Tom ist ein interessanter Typ. Er hat Ausstrahlung. Das Leben hinter der Theke passt nicht

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