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Schattenmelodie

Schattenmelodie

Titel: Schattenmelodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne Unruh
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die mit riesigen Schatten boxten.
     

Kapitel 24
     
    „Es tut mir leid“, sagte der große, rote Weihnachtsstern mit Toms Stimme. Tom hielt mir die Pflanze mit den tiefroten Blättern ein wenig ungelenk hin. Sein Kopf verschwand dahinter komplett. Ich nahm sie ihm ab und schaute in sein verlegenes Gesicht. „Ich weiß, ich hab mich schlecht benommen, gestern. Ich …“
    „Schon gut …“ Ich lächelte Tom vorsichtig an. „Es war wegen dieses Japaners, oder?!“
    Er fuhr sich durch die verstrubbelten Haare und lächelte zurück. In dem Moment war ich mir ziemlich sicher, dass er mich in seinem Strandtraum noch gesehen hatte.
    Wir standen im Türrahmen meiner Wohnung. Sollte ich ihn hereinbitten? Die Situation war so seltsam, die Wohnung so gut wie leer, und ich doch nur Gast. Ich strich mir verlegen eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Tom fuhr sich noch einmal durch die Haare. Er wirkte ebenfalls verlegen.
    Dann sagte er: „Ich bin froh, dass du da bist. Du, du … hilfst mir irgendwie. Durch dich … ach, ich habe dir mein Geheimnis anvertraut und danach hab ich mich komisch gefühlt. Aber jetzt denke ich … Also … Ich kann es nicht genau erklären. Aber du bist … ich glaube, ich kann dir vertrauen.“
    Der Blumentopf wurde schwer in meinen Händen. Am liebsten hätte ich ihn fallengelassen und Tom einfach umarmt. Das waren so wundervolle Worte. Ich konnte kaum glauben, dass er sie zu mir sagte. Würde er mich jetzt auch umarmen, wenn nicht der Weihnachtsstern zwischen uns wäre?
    „Danke, ich …“, weiter kam ich nicht, weil ein greller Blitz durch das Treppenhaus zuckte. Sofort dachte ich an Charlies Kamera, ließ den Blumentopf los und hielt mir die Hände vor das Gesicht. Ich sah noch, wie Toms Hände auf mich zuschnellten. Wollte er mich umarmen? Nein, er bekam den Blumentopf, kurz bevor er auf dem Boden aufschlug, zu fassen und fing ihn auf.
    Dann hörte ich Mädchenlachen, das hinter Tom aus dem Treppenhaus drang. Da stand Grete mit einer Kamera in der Hand und ein Mädchen mit braunen Locken beugte sich zu ihr und sah auf das Display: „Cool. Das ist echt gut geworden!“ Luisa.
    Tom wandte sich um: „Mädels! Was treibt ihr hier?“
    Grete sah ihn mit großen Augen an, aber hielt entschlossen die Lippen aufeinandergepresst. Luisa räusperte sich und nahm Haltung an, als würde sie vor einem Lehrer stehen.
    „Hallo. Ich bin Luisa Sindel und wir machen zusammen ein Fotoprojekt für die Schule. Thema Portrait. Die Bilder sollen spontan sein und Emotionen ausdrücken.“
    „Aber müsst ihr die Leute nicht vorher fragen, ob ihr sie fotografieren dürft?“
    „Ja, das müssten wir schon. Aber wie soll man dann gute, spontane, emotionale Fotos hinbekommen? Also machen wir es nicht“, antwortete Luisa und stieß Grete an, dass sie sich auf die Flucht begeben sollten. Grete warf mir einen vielsagenden Blick zu, dann rannten sie die Stufen nach oben.
    Ich staunte, so hatte ich mir Luisa gar nicht vorgestellt. Eher ernst und ein bisschen besserwisserisch. Aber nicht frech. Bestimmt hatte Kira meistens die Unterschiede zwischen sich und Luisa betont, und nicht ihre Gemeinsamkeiten. Jedenfalls beruhigte mich, dass es Grete gut ging.
    Tom schüttelte den Kopf über die beiden und reichte mir erneut den Blumentopf. Ich nahm ihn, aber die Stimmung von vorhin war verflogen.
    „Danke“, flüsterte ich.
    „Rot steht dir übrigens ganz toll.“
    „Ich hab ein rotes Kleid“, hörte ich mich stolz sagen. Und fühlte mich wie ein kleines Mädchen.
    „Hey, das ist toll. Ziehst du es an, wenn du mich das nächste Mal besuchst?“
    Ihn das nächste Mal besuchen – von ihm eingeladen – das klang traumhaft. „Aber es ist ein Sommerkleid.“
    „Das macht nichts, ich werde ordentlich heizen.“
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
    „Könntest du denn heute arbeiten kommen?“
    Ja!, wollte ich sofort rufen, aber ich war ja mit Janus zum Büchersortieren verabredet.
    „Oh, leider geht es heute nicht. Ich …“
    „Schon gut, macht nichts. Ich rufe einen meiner Studenten an.
    Und Dienstagvormittag? Da müsste aufgeräumt werden, weil ich Montagabend für eine geschlossene Veranstaltung vermietet habe.“
    „Dienstag geht“, antwortete ich freudig.
    „Das ist prima. Okay, ich muss jetzt los.“
    Er hob seine Hand und ich dachte, er würde meinen Arm berühren oder meine Schulter. Aber er winkte nur, und dann sprang er vergnügt die Treppen hinunter und machte sich auf den Weg zur Arbeit.
    Ich

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