Schattenmenagerie
nicht, Mutter, das kann
ich dem Inspektor auch selbst erklären. – Also, das ist so. Wir sind …, ich meine,
wir haben uns ineinander verliebt. Sie ist ein wundervolles Wesen, auch wenn sie
nicht sprechen kann. Irgendein schweres Schicksal lastet auf ihr, und ich bin fest
entschlossen, ihr zu helfen. – Ich liebe sie von ganzem Herzen. Aber wir müssen
uns immer heimlich treffen. Meine Eltern wollen sie nicht akzeptieren. Gelegentlich
war ich mit ihr auch in der Lübecker Villa. Wahrscheinlich kennen Sie den Namen
von daher.«
Seine Mutter rang unüberhörbar nach
Atem. Sie wollte ihren Sohn scharf zur Rechenschaft ziehen, sah aber ein, dass es
jetzt der falsche Augenblick war. So schwieg sie verbissen.
»Caoba ist ebenso unschuldig wie
ich. Unser Problem ist, dass meine Eltern mich mit der Gräfin von Bülow liieren
wollen. Das sei besser für die Familientradition, meinen sie. – Ich will aber meinen
eigenen Weg gehen.« Mit einer energischen Drehung richtete er sich an seine Mutter:
»Ich liebe sie, und dabei wird es bleiben, auch wenn Ihr das nicht wollt, Mutter!«
Er verschwand mit lautem Türknallen
in den Garten. Er hatte gar nicht bemerkt, dass er seine Mutter plötzlich im althergebrachten
Hofstil ihrzte.
Kroll war die Situation ausgesprochen
peinlich. Mit wenigen leeren Höflichkeitsfloskeln entfernte er sich und überließ
die Herzogin, die wie eine Marmorstatue in der Mitte des Salons stand, sich selbst.
Hm, den emotionalen Ausbruch des
jungen Mannes kann ich durchaus verstehen. – Aber wie ernst meint er es mit seiner
Liebe. War das nicht eine Spur zu laut? – Und überhaupt, ich werde alle Angaben
überprüfen müssen. – Der junge Herzog bleibt nach wie vor mein Hauptverdächtiger.
Fluchtgefahr besteht sicherlich nicht. Ich werde ihn aber dennoch unauffällig beobachten
lassen.
Die Herzogin hörte ihm gar nicht
mehr zu. Ihre Gedanken galten nur noch dem Sohn: Ich fürchte, ich werde die Gräfin
von Bülow ein wenig unter Druck setzen müssen, am besten über ihren dubiosen Pferdehandel.
Die soll mal ein bisschen ihre üppigen Reize ausspielen. Mal sehen, ob der Junge
da nicht schnell sein biederes Landmädchen vergisst. – Ich könnte eine private Schlossführung
arrangieren, am besten montags, wenn keine offiziellen Besuche möglich sind. Niemand
im Haus, edles Ambiente, eine offene Bluse … Da wird er nicht nein sagen können.
Intime Schlossführung – finale Verführung.
Sie wandte sich gedankenversunken
zum Gartenfenster und musterte ihren Sohn, der wie verloren auf einer entfernten
Parkbank saß. So übersah sie – ein wenig unhöflich – Krolls Abgang. Als der im Rahmen
des barocken Eingangportals stand, fasste er das Dienstmädchen leicht am Ellbogen
und bat: »Bitte begleiten Sie mich zu meinem Auto. Ich möchte Ihnen gern ein paar
Fragen stellen.«
Theresa folgte etwas widerwillig.
Sie hatte zu viel Angst vor dem Polizisten, als dass sie ihm zu widersprechen wagte.
So schritten sie gemeinsam langsam die imposante Steintreppe hinunter. Aus den Augenwinkeln
bemerkte Kroll, dass die Herzogin sie heimlich hinter den schweren Gardinen beobachtete.
»Wie lange arbeiten Sie für die
Familie des Herzogs?«
»Es sind jetzt fast vier Jahre.«
Sie bemühte sich sichtlich, ein positives Bild ihrer Herrschaft zu zeichnen. »Und
ich fühle mich hier sehr wohl. Ich kann mich nicht beklagen. Man behandelt mich
gut, und die Besoldung ist angemessen.«
»Wohnen Sie auch hier auf dem Gut?«
»Ja, ich habe ein kleines Zimmer
an der Seite des Herrenhauses mit einem eigenen Eingang zur Verfügung. – Warum fragen
Sie?«
Kroll erwiderte mit einer Gegenfrage.
»Haben Sie auch einen Schlüssel zu der Villa in Lübeck?«
Theresa blieb abrupt stehen. »Finden
Sie nicht, dass Sie mit Ihren Verdächtigungen zu weit gehen? – Natürlich habe ich
keinen Schlüssel. Und das Privatleben des jungen Herrn interessiert mich auch nicht,
falls Sie verstehen, was ich meine.«
Eine gute Zofe spricht wie ihre
Herrin, dachte Kroll, wollte den Punkt jedoch nicht weiter vertiefen. Also lenkte
er ein: »Nein, so war das nicht gemeint. Wir müssen eben allen Möglichkeiten nachgehen.
Und ich bin mir sicher, dass Sie mit der Sache nicht im Entferntesten etwas zu tun
haben. – Aber eine Frage hätte ich noch. Wer ist denn, – besser gesagt, wer war
denn in letzter Zeit häufiger bei den Herrschaften zu Besuch?«
Theresa war sichtlich verärgert.
»Ich glaube nicht, dass ich Ihnen das sagen darf. Das gehört
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