Schattenmenagerie
Konkurrenten? Vielleicht wollte sich jemand rächen?«
Frau Kriebgans schüttelte vehement
den Kopf. Kroll hatte schon fast Angst, ihr Dutt würde herunterfallen. »Nein, absolut
nicht. – Im Gegenteil. Er wurde hier von allen geachtet. Und das zu Recht, wo er
sich so für den Erhalt des Schlosses eingesetzt hat. Ich weiß, dass der Herzog ihm
damals sehr dankbar war, dass das Problem gelöst wurde. Sie müssen wissen, dass
ihm das Schloss finanziell ziemlich schwer im Magen lag. Und durch die Lösung mit
der Stiftung wurde ein Weg beschritten, der ihm half, sein Gesicht als Oberhaupt
eines alten Adelsgeschlechts zu wahren.«
Die resolute Frau Kriebgans nahm
wie zur Bestätigung einen kräftigen Schluck Selbstgebrannten.
Die gute Frau, dachte Kroll, bestätigt
eigentlich meine Vermutung, dass ich zumindest den alten Herzog aus der Liste der
Täter ausschließen kann. Er kam mit seinen Gedanken nicht weiter, denn der Herr
des Hauses schlug mit der Faust auf die Tischplatte.
»Mensch, da fällt mir die Geschichte
mit den Wilderern ein. Vor etwa zwei Jahren hatte der Graf beim Jagen im Hohen Holz
zwei Männer überrascht, die wildern wollten. Das gab zunächst mächtige Aufregung,
aber später kamen sie mit einem blauen Auge davon. Der Herzog verzichtete auf eine
Anzeige, weil das zwei ganz arme Kerle waren, keine Vorbestraften.«
Na ja, Wilderer, die dazu noch arme
Kerle sind, ging es Kroll durch den Kopf, kann ich als Täter wohl ausschließen.
Ich glaube kaum, dass die das Geld und die Möglichkeit gehabt hätten, einen Auftragskiller
nach Mallorca zu schicken.
»Ja, sein soziales Engagement«,
fuhr Frau Kriebgans fort. »Er hatte seinerzeit auch das mit unserer Adoptivtochter
in die Wege geleitet.«
Kroll blickte sie aufmerksam an.
Ihr Mann bemerkte das und erklärte:
»Sie müssen wissen, dass wir vor
über zehn Jahren …«
»Das ist schon 15 Jahre her«, unterbrach
ihn seine Frau.
»… Also vor etwa 15 Jahren ein dunkelhäutiges
Mädchen aufgenommen hatten, deren Eltern bei dem fürchterlichen Brand in dem Lübecker
Asylbewerberheim in der Hafenstraße ums Leben gekommen waren. Sie werden sich an
die Sache erinnern.«
»Ja natürlich, unsere Behörde musste
auch in diesem Fall recherchieren. Wenn ich mich recht erinnere, wurde die Brandursache
nie eindeutig geklärt.«
»Wir sind felsenfest der Überzeugung,
dass es sich um einen rechtsradikalen, ausländerfeindlichen Anschlag gehandelt hat,
– auch wenn die Justiz die Tatverdächtigen freisprach. – Aber das spielt jetzt keine
Rolle. Wir waren gerade von Lübeck hierher gezogen und schämten uns fürchterlich,
dass es dort seit der Hitlerdiktatur wieder brennende Häuser gab. Damals waren’s
die Juden, jetzt traf es die Ausländer.« Er spielte nachdenklich mit seinem Schnapsglas.
»Der liebe Gott würde sich im Grabe umdrehen, wenn er wüsste, was es für schlechte
Menschen unter seinen Geschöpfen gibt!«, fügte er in einem etwas sarkastischen Unterton
hinzu.
»Lass das Politisieren!«, unterbrach
ihn seine Frau. »Den Herrn Inspektor wird das nicht interessieren.«
»Doch, doch, erzählen Sie ruhig
weiter.« Er fixierte sie aus den Augenwinkeln heraus. »Es handelt sich doch um Ihre
Tochter Caoba, nicht wahr? – Sie ist wohl zurzeit nicht anwesend?«
Völlig verdattert nahm Herr Kriebgans
seine Pfeife aus dem Mund. »Woher kennen Sie ihren Namen?« Er blickte sein Gegenüber
misstrauisch an. »Sie sind doch nicht nur wegen des Grafen hier! – Nein, sie treibt
sich wie immer um diese Zeit in den Wäldern rum. – Aber was soll Ihre Fragerei?«
Ruhig erklärte der Inspektor die
Zusammenhänge. Auch die vermutete Beziehung mit dem jungen Herzog von Altenburg
ließ er nicht aus.
»Donnerwetter!«, entfuhr es Herrn
Kriebgans. Wieder musste die Tischkante unter der Wucht seiner Faust leiden. »Das
hätte ich nicht gedacht. – Ich meine, sie ist doch noch so jung. Dass sie schon
was mit Männern hat, ist uns echt entgangen. – Ich dachte, sie treibt sich den ganzen
Tag in den Wäldern rum. Sie ist von klein an ein echtes Waldmädchen, müssen Sie
wissen. Ihr liebstes Hobby sind ihre Pferde und das Reiten. Das beherrscht sie perfekt.
Obwohl …« Er stockte, kratzte sich am Bart und fuhr etwas verlegen fort: »Was wollte
ich sagen? – Richtig. Sie liebt unsere Natur und weiß mehr davon, als wir selbst.
– Aber mit dem jungen Herzog … – Unmöglich. Der ist doch gar nicht unsere Kragenweite.
– Ich meine, er ist ja ganz nett, aber als
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