Schattenmenagerie
zu meiner Verschwiegenheitspflicht
Fremden gegenüber.«
Sie wollte sich umdrehen und zurück
ins Haus laufen, aber Kroll hielt sie vorsichtig am Ärmel fest. »Bitte vertrauen
Sie mir. Ich will Sie ja auch gar nicht aushorchen. Ich möchte die Familie des Herzogs
mit meinen Fragen nicht unnötig belasten, weil, – nun ja, weil ich davon überzeugt
bin, dass sie einer gemeinen Intrige zum Opfer gefallen sind. Für mich sind sie
unschuldig. Bitte helfen Sie mir, den wahren Täter zu finden.«
Die Zofe brauchte eine gewisse Zeit,
um das alles zu verarbeiten. Dann lenkte sie ein: »Nun gut. Die Herrschaften leben
hier sehr zurückgezogen. Familienangehörige finden sich nur sehr selten ein. Fremde
ebenso wenig. Ab und zu tagt hier eine auserwählte Runde des Stiftungsrats, um die
anstehenden Probleme rund um das Eutiner Schloss zu besprechen.«
»Wer gehört denn konkret dazu?«
»Natürlich der Graf Stolberg, Gott
sei seiner Seele gnädig. – Dann Herr Romanowsky, der Pächter der Fasaneninsel, der
als Fachmann von allen geschätzt wird …«
Kroll entging es nicht, dass die
Frau bei der Nennung des Namens den Blick verlegen senkte. »Auch von Ihnen?«
Theresa errötete leicht. Etwas unbeholfen
antwortete sie: »Ich habe in dieser Runde nichts zu sagen. Ich bin doch nur die
Kammerzofe. – Wieso fragen Sie?«
Der Inspektor wollte die Gute nicht
ein zweites Mal verwirren, also überhörte er die Frage. »Und wer war noch da?«
»Meistens kamen noch Frau Schuster,
die Sekretärin des Stiftungsrats, Herr Diabelli, der Schlossverwalter, und Herr
Kriebgans, der Revierförster.«
»Und jeder Einzelne von denen hätte
Zugang zum Schlüsselkasten gehabt?«
»Im Prinzip ja. Denn wer zur Toilette
musste, kam daran vorbei.«
»Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen.
Bitte seien Sie sicher, dass ich Sie nicht in die Angelegenheit hineinziehen werde.
– Auch kein Wort Ihrer Herrschaft gegenüber in Bezug auf Ihr Verhältnis zu Herrn
Romanowsky.«
Ohne weiter auf das verlegen überraschte
Gesicht Theresas zu achten, stieg der Inspektor in sein Auto und startete die Zündung.
Der krasse Motorlärm übertönte die hilflose Antwort der Zofe. Im Rückspiegel sah
er, wie sie betreten auf der Stelle trat und nervös an ihrer Dienstschürze zupfte.
Kroll änderte seinen ursprünglichen
Plan, Micha abzuholen und mit ihr zum Gut Uklei zu fahren. Jetzt wollte er erst
einmal der Alten Schäferei einen Besuch abstatten.
Kapitel 12: Die Alte Schäferei
Der junge Frühling zauberte im Laufe des Tages ein herrliches Wetter
in die Holsteinische Schweiz. So entschloss sich Kroll, das Schiebedach seines Mini
Coopers zu öffnen und sich die frische Landluft um die Ohren wehen zu lassen. Hinter
Kasseedorf breitete sich eine romantische Waldlandschaft aus. Obwohl es für die
Bäume noch nicht an der Zeit war, voll auszuschlagen, hüllte die noch schwächliche
Sonne den Boden und die Luft in einen zartgrünen Schleier. Vom Auto aus war der
Himmel nicht zu sehen, so sehr bohrte sich die Landstraße wie ein Tunnel in das
dichte Geäst der Alleebäume.
Rechter Hand schimmerte die trügerisch
ruhige schwarze Oberfläche des Kolksees durch. Ein leichter Nebeldunst stieg über
ihm auf, als wäre er der leibhaftige Kessel einer Hexenküche. Viele geheimnisvolle
Sagen rankten sich um den fast kreisrunden Trichter. Es war, als würden sich die
schrillen Waldgeister in seinen brodelnden Wassern ein heißes Bad gönnen.
Gegenüber der Fahrbahn konnte Kroll
die Ausläufer der gespenstigen Wolfsschlucht erkennen. Hier kam ihm der Wald vor,
als hätte ihn nie ein Mensch betreten. Umgestürzte Baumstämme erdrückten das dichte
Unterholz, in dem es von Tieren und Gespenstern nur so wimmelte. Merkwürdige Geräusche
drangen aus dem Pflanzenlabyrinth, als probte die raue Welt der Nordlichter einen
Aufstand gegen die zivilisierte Welt der Mini Cooper fahrenden Touristen.
Kroll wagte es nicht, hier einen
Halt einzulegen, um sich die Füße zu vertreten. Und um sich vor den krassen Naturlauten
zu schützen, schob er eine Led-Zeppelin-CD ein und drehte die Lautstärke voll auf.
Nun war das Chaos dank des offenen Schiebedachs perfekt. Endlich konnten die Trolle,
Elfen, Dryaden, Meliaden und Schrate den wildesten Tanz ihres unvergänglichen Lebens
feiern.
Angeblich soll auch der Komponist
Carl Maria von Weber bei dem letzten Besuch in seiner Heimatstadt Eutin diese Wolfsschlucht
besucht haben. Seine berühmte Szene im Freischütz hatte er allerdings schon
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