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Schattenmenagerie

Schattenmenagerie

Titel: Schattenmenagerie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Buehrig
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lange
vorher komponiert. Sicherlich hätte ihn Krolls Beschallung der Wolfsschlucht mit
Led Zeppelin zu einer Neuauflage inspiriert.
    Am Ausgang
dieser Hölle lag die Alte Schäferei. Als wolle sie die Idylle des Eutiner Sees mit
der bizarren Zauberwelt der ostholsteinischen Wälder versöhnen. Das alte Fachwerkhaus
schmiegte sich an das Ostufer des schilfbewachsenen flachen Großen Eutiner Sees.
Mit seinen zwei niedrigen, aber breiten Dachgauben machte es von Weitem den Eindruck,
als sei ein dicker, gemütlicher Schrat aus dem Wald herausgetreten und unterhielte
sich wohlwollend mit den Wassernixen. Früher diente die Schäferei als Zentrum einer
herzoglichen Schafszucht, doch dem Betrieb war auf den kargen Sandböden der Umgebung
nur wenig Erfolg beschieden. So konvertierte sie zur Försterei, zur Pflege der wilden
Tiere.
    Kroll parkte
am Straßenrand und stiefelte den Sandweg hinauf zur Eingangstür des reetgedeckten
Gebäudes. ›Familie Kriebgans‹ stand auf der aus Ton gebrannten Namenstafel, verziert
mit zwei erwachsenen Gänsen und einem Gänseküken.
    Das wird Caoba
sein, vermutete der Inspektor.
    Er klingelte.
Nach einer geraumen Zeit öffnete eine schlicht gekleidete Frau die Tür. Ihre in
Würde ergrauten Haaren hatte sie zu einem dicken Knoten zusammengebunden, der auf
ihrem Hinterkopf wie die Krone einer Waldfee thronte. Sie erweckte den Eindruck
einer sauberen, ordentlichen Hausfrau.
    »Sie wünschen?«
    »Entschuldigen
Sie die Störung. – Kroll. Inspektor Kroll von der Regionalen Kriminalbehörde in
Lübeck.« Er fingerte in seinem Mantel nach einem Dienstausweis herum, fand aber
keinen. Das machte nichts, die gute Frau glaubte ihm auch so. Etwas verwirrt fragte
sie: »Ist etwas passiert?« Sie rief nach hinten: »Wolfgang, komm doch bitte mal.
Da ist jemand von der Polizei.«
    Wolfgang beeilte sich. Er passte
perfekt in das Haus, in die Waldgegend, war aber das genaue Gegenteil seiner Frau.
Sein wirrer, langer Rauschebart hätte seinen Bauchnabel verdecken können, wenn da
nicht die olivgrüne, in den Knien verbeulte, schmuddelige Latzhose gewesen wäre.
Aus seinem bartumflossenen Gesicht stach eine dampfende Pfeife hervor. Buschige,
dichte Augenbrauen überragten die misstrauisch dreinblickenden Augen. Er machte
auf den ersten Blick einen mürrischen, verschlossenen Eindruck.
    Kantiger Typ, dachte Kroll. Aber
wenigstens Raucher. – Ganz anderer Menschenschlag, als diese Adeligen vorhin.
    »Ich komme zu Ihnen in Zusammenhang
mit dem Tod des Grafen von Stolberg. – Sie kannten ihn?«
    »Ja, sicher«, erwiderte der Mann
mit einer unwirschen Geste. »Treten Sie ein. Das kann man nicht vor der Tür besprechen.«
Die Wohnung machte einen rustikalen und penibel gepflegten Eindruck. Ein paar Geweihe
hingen an der Wand. Auch zwei Gewehre sowie eine Flinte Kaliber 16 und eine etwas
größere, Kaliber 12, beide mit kurzem Lauf.
    Frau Kriebgans stellte ein paar
Gläser auf den Tisch und brachte eine Flasche Selbstgebrannten. »Den machen wir
selbst, so wie unseren Honig, – und wir verkaufen ihn auch.« Sie schenkte die Gläser
randvoll ein. »Sie dürfen doch, auch wenn Sie im Dienst sind?«
    Kroll hatte nichts dagegen. Der
Schnaps munterte ihn auf. Er holte eine seiner etwas zerdrückten Zigaretten aus
der Hosentasche. »Es stört Sie nicht?«
    »Aber natürlich nicht. Rauchen beruhigt.
– Man gönnt sich ja sonst nichts im Leben, – und das ist hart genug«, seufzte der
Hausherr. Er reichte dem In­spektor sein faustdickes, schwerfälliges Feuerzeug.
Nach einigen Fehlzündungen schoss eine kräftige Flamme empor. Kroll genoss seine
erste Zigarette des Monats in vollen Zügen. Nach einer Genießerpause setzte er das
Gespräch fort.
    »Also, wie gesagt, es geht um den
Herrn Stolberg.«
    »Ja, natürlich kannten wir ihn«,
unterbrach ihn Herr Kriebgans. »Er war gern gesehener Gast in unserer bescheidenen
Hütte. Wir hatten viel mit ihm zu tun, schließlich war er Jäger. Ich bin hier der
Revierförster. Da hat man manche Berührungspunkte. – Wir bedauern seinen plötzlichen
Tod sehr. Er war doch noch so rüstig. Ein vortrefflicher Wanderer. Deswegen konnten
wir überhaupt nicht verstehen, dass er sich auf Mallorca zu Tode stürzte.« Er sprach
das Doppel-L nicht wie j aus, sondern sagte Malorka.
    »Wissen Sie,
ich habe ehrlich gesagt auch Zweifel an einer natürlichen Todesursache. – Deswegen
bin ich ja auch hier. – Können Sie sich denn vorstellen, dass er irgendwelche Feinde
hatte, – Neider,

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