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Schattenmenagerie

Schattenmenagerie

Titel: Schattenmenagerie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Buehrig
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ausgeschmückten Baldachin, der schon als Filmkulisse für Liza Minelli
in der Verfilmung des Musicals ›Cabaret‹ gedient hatte.
    Heute wurde er
Zeuge einer ebenfalls drehreifen Verführungsszene.
    Viviana und ihre
beiden Freunde hatten ihr kleines Konzert in der Schlosskapelle inzwischen beendet
und beschlossen, das Schloss auf eigene Faust zu erkunden. Sie rannten durch die
Säle und Kemenaten, scherzten mit den ehrwürdigen Ahnen auf den riesigen Ölgemälden
und fühlten sich wie drei Schlossgeister, die Halloween feierten, – auch wenn das
noch gar nicht an der Zeit war.
    Fast wären sie
dem Liebespaar in die Arme gelaufen. Aber dessen glutvolles Stöhnen drang bis in
die Flure des oberen Stockwerks. So wurden sie rechtzeitig gewarnt und mussten den
Schlussakt der Prozedur hinter einem Ofen, der für seine Stockelsdorfer Fayencen
berühmt war, verschämt abwarten, bis sich das Paar liebestrunken davonmachte. Es
eilte, sich lautstark und ungehemmt gegenseitig mit eindeutigen Aufmunterungen neckend,
zum Innenhof, wo der Jungherzog seinen teuren Alfa Romeo geparkt hatte.
    Wenig später
waren die drei mutterseelenallein in dem weitläufigen Schlossgebäude. Viviana wusste
von dem Herzog, der ihr vertrauensvoll die Hauptschlüssel geliehen hatte, damit
sie an diesem nichtöffentlichen Montag ungestört ihr Orgelspiel üben konnte, dass
heute niemand anwesend war. Auch der Schlossverwalter nicht, den der Herzog mit
irgendwelchen Erledigungen in Lübeck beauftragt hatte. Nur Dogger, dessen Faktotum,
döste trübselig und stumpf in der Pförtnerloge, in Schach gehalten von seinem eigenen
Wachhund. Er wusste von der Anwesenheit der jungen Organistin. Viviana hatte jedoch
einfach einen schweren Notenständer auf das Fußpedal der Orgel gelegt, sodass ein
unangenehmer Clusterklang die bemitleidenswerte Schlosskapelle demütigte. Dogger
hielt das für Musik und wiegte sich in der Gewissheit, dass die freche Göre Orgel
spielte. Solange er den Klang hörte, konnte sie ja kein Unheil anrichten.
    Mit diesem billigen
Trick verschafften sich die Jugendlichen Luft, um ungehindert durch die Räume streifen
zu können. Die Jungen fühlten sich wie leibhaftige Schlossherren.
    Doch Viviana
ermahnte sie bald: »Wir sind hier nicht zum Spaß oder damit ihr eine kostenlose
Schlossbesichtigung bekommt. Schließlich wollen wir dazu beitragen, dass der Mord
am Grafen Stolberg aufgeklärt wird.« Mit Blick auf Antonio ergänzte sie: »Wir haben
Micha versprochen, ihrem Onkel auf unsere Art und Weise zu helfen. Du willst doch
Micha bestimmt nicht enttäuschen, oder?« Antonio bekam rote Ohren, als fühlte er
sich ertappt.
    Er hatte Tage
vorher intensiv die Grundrisse der einzelnen Stockwerke studiert, die er in den
alten Büchern des Eutiner Stadtarchivs fand. »Gut«, schlug er vor. »In der Nische
des Rundturms gibt es eine Geheimtreppe, die wir uns zunutzen machen könnten.« Etwas
wichtigtuerisch demonstrierte er sein frisch erworbenes Fachwissen. »Eine sogenannte
›escalier dérobé‹. Damit konnte der Herzog, ohne dass es die Diener oder die Besucher
merkten, jederzeit von seinen Privaträumen im Erdgeschoss in die der Herzogin im
Obergeschoss gelangen. – Schließlich brauchten auch Herzöge ihre Intimsphäre.«
    »Vielleicht besuchte
er ja da oben nur seine Mätresse, um Dinge zu treiben, wie wir das vorhin vom Jungherzog
und der Gräfin erlebt haben. Das war auch nicht von schlechten Eltern!«, witzelte
Noël.
    Viviana waren
diese Anspielungen peinlich. »Schluss mit dem Gerede. Worauf warten wir noch? Ab
nach oben in Stolbergs Arbeitszimmer. Mit meinen Hauptschlüsseln wird das kein Problem
sein. Nur ruhig und vorsichtig müssen wir uns verhalten. Wer weiß, ob der Diener
des Verwalters nicht mal Lust auf einen Kontrollgang hat.«
    Die geheime Wendeltreppe
führte bis ins zweite Obergeschoss, direkt unter den Dachboden. Von dort gelangte
man über ein paar Abstellräume in den Bereich über dem Torturm, in dessen Erdgeschoss
Dogger, der tölpische Diener, dumm vor sich hin dämmerte und nichts von den ›Einbrechern‹
hoch oben über seinem Kopfe ahnte.
    Als sie vor der
Tür von Stolbergs Arbeitsraum standen, entdeckten sie das Polizeisiegel.
    »Mist!«, fluchte
Noël, »das können wir jetzt nicht einfach aufbrechen. Dann hätte man uns gleich
in Verdacht, weil alle wissen, dass nur wir heute hier im Schloss sind. – Ich meine,
außer dem Paar vorhin. Aber die hätten da bessere Karten als wir.«
    Dem praktisch
denkenden

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