Schattenmenagerie
Stühlen schweifen.
»Caoba, der Tochter unseres Waldhüters
wollte ich einen gehobenen Posten in meinem Reitstall anbieten. Ich hatte während
meiner Jagdausflüge mehrfach die Gelegenheit, ihren qualifizierten und sensiblen
Umgang mit Pferden zu bewundern.« Frau Kriebgans reckte stolz den Hals. Die anderen
jedoch verbargen mehr oder weniger ihre Enttäuschung. Das war nicht die Sensation,
die sie erwartet hatten.
»Vielleicht taucht sie ja im Laufe
des Abends noch auf. Dann könnte ich ihr persönlich meine Anerkennung aussprechen.«
Er machte eine kleine Pause, um sich einen Schluck von seinem Aperitif zu genehmigen.
Dann blickte er gedankenverloren in das Glas, in dem sich die Nebensonnen des verhangenen
Himmels spiegelten, als ob er etwas Zeit brauchte, um die richtigen Worte zu finden.
»Nun, des Weiteren ist es mir ein
wichtiges Anliegen, Sie über die Zukunft des Stiftungsrats und –«, er machte mit
der Hand, in der er das Glas hielt, eine Bewegung, als wolle er den ganzen Turmsaal
umfassen. »Und damit auch des Eutiner Schlosses. Ich denke, es wird Sie alle in
der einen oder anderen Weise betreffen.«
Sofort hatte er wieder die Aufmerksamkeit
aller gewonnen. »Es geht um die Neubesetzung der Stelle, die Graf Stolberg im Stiftungsrat
innehatte.« Diskretes Raunen unter den Anwesenden. Der eine oder andere machte sich
Hoffnungen, die aber rasch wie Seifenblasen zerplatzten: »Ich hatte die Gelegenheit,
in letzter Zeit Gespräche mit Mitgliedern des Rats und mit unserem Ministerpräsidenten
zu führen. Wir sind zu der Überzeugung gelangt, dass die Ehre, die Aufgaben des
zweiten Vorsitzenden der Stiftung Eutiner Schloss zu übernehmen, einzig und allein
Herrn Romanowsky gebührt.«
Ein lebhaftes Murmeln füllte den
kleinen Raum. Ausgerechnet dieser eingebildete Kerl, dachten einige. Endlich ein
Fachmann an der Spitze, freuten sich andere. Und die Gräfin von Bülow stellte brüskiert
ihr Sherryglas beiseite. »Warum denn eigentlich nicht ich?«
Der Herzog mäßigte die Aufregung
mit einer leichten Handbewegung. »Wir alle wissen, dass er als Experte der Geschichte
unseres Hauses und als engagierter Verfechter der Stiftungsidee die besten Voraussetzungen
bietet, an meiner Seite für das Wohl dieses wunderschönen Bauwerks zu wirken.«
Ein Ruck ging durch seinen Körper.
Eine Spur zu eitel, fand Inspektor Kroll. Ein kleiner Dämpfer kann nicht schaden.
»Und nun wünsche ich Ihnen guten
Appetit«, beendete der Herzog seine Ansprache. »Genießen Sie den Abend, – und gedenken
wir in Würde des verstorbenen Grafen von Stolberg.«
Die Gäste
stürzten sich auf die Köstlichkeiten, die die beiden Tafeldiener inzwischen aufgefahren
hatten. Allen voran die Jugendlichen um Viviana. Für sie waren es sonst unerschwingliche
Gaumenfreuden. So langten sie denn mit vollen Händen zu. – Und dankten dem Grafen
im Himmel für seine besondere Güte.
Die Köstlichkeiten neigten sich
langsam dem Ende zu. Die Tafelgäste lehnten sich behaglich zurück und genossen den
schweren Sherry, der als Abschluss gereicht wurde. Die Diener zogen sich dezent
zurück. Der Herzog wischte sich zufrieden den Mund mit einer der bereitliegenden
Seidenservietten ab. Da fand Kroll, dass sein großer Auftritt gekommen war. Er stand
auf und klopfte mit einem Messer leicht an sein Weinglas.
»Sehr verehrte Anwesende. Entschuldigen
Sie, dass ich Sie in Ihrem Wohlgenuss störe. Aber auch wir beide von der Kriminalpolizei,
Herr Dorndorf und ich, sind gekommen, um des verstorbenen Grafen von Stolberg zu
gedenken. – Auf unsere Weise, wie Sie verstehen werden.«
Er legte eine Kunstpause ein und
wartete, bis er alle Blicke auf sich vereint fühlte. Er griff zu einer der Servietten
und bastelte etwas verlegen an ihr herum. »Nun, Sie werden sich denken können, dass
auch wir mit der einen oder anderen Überraschung aufwarten möchten.«
Er trat umständlich hinter seinen
Stuhl und warf die Serviette mit einer entschlossenen Bewegung auf den Tisch zurück.
»Der Graf von Stolberg ist keines
natürlichen Todes gestorben. Wir haben klare Beweise, dass er ermordet wurde.«
Mit einem Schlag war die Feststimmung
verschwunden. Eisige Starre legte sich über die Gemüter. Einige begannen, nervös
mit ihrem Besteck zu spielen. Einige lehnten sich abweisend zurück, als wollten
sie demonstrieren, dass sie mit der Sache nichts zu tun hätten. Nur die Jugendlichen
beugten sich neugierig vor und blickten einander vielsagend an.
»Ja, Sie haben
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