Schattennacht
schieläugiges Frettchen, einen Besen, eine Bratpfanne, einen Toaster, Butter, einen Feuerwehrschlauch und eine große Bratwurst.
So leichtsinnig eine solche Strategie auch erscheinen mag – mir ist es lieber, mich auf meinen Verstand zu verlassen als auf ein privates Waffenarsenal. Leider war mein Verstand dort auf der verschneiten Wiese so eingefroren, dass ich ihm nichts entlocken konnte als den Einfall, Schneebälle zu machen.
Weil ich bezweifelte, dass es sich bei meinen so unheimlich heulenden, unbekannten Verfolgern um zehnjährige Lausbuben handelte, ließ ich das mit den Schneebällen lieber bleiben. Stattdessen zog ich mir die Kapuze wieder über den eiskalten Kopf und fixierte sie mit dem Klettverschluss unter dem Kinn.
Die Schreie hörten sich real an, aber auch wenn sie sich deutlich vom chaotischen Heulen des Winds unterschieden, handelte es sich vielleicht doch nur um atmosphärische Geräusche.
Wenn mein Verstand versagt, nehme ich eben gern Zuflucht zu Selbsttäuschung.
Als ich erneut auf das Internat zuging, nahm ich sofort
eine Bewegung links von mir, ganz am Rand meines Blickfelds, wahr.
Ich wandte mich der Bedrohung zu und sah etwas Weißes, das sich rasch bewegte. Sichtbar war es nur, weil es eckig und stachlig war, wodurch es einen Kontrast zu dem wogenden Wirbeln des fallenden und aufstiebenden Schnees darstellte. Wie ein Kobold in einem Traum war es gleichsam schon fort, als es aufgetaucht war. Während es sich im Flockenschleier auflöste, hinterließ es eine vage Erinnerung an scharfe Spitzen, harte Kanten und einen glänzenden, durchscheinenden Körper.
Das Heulen verstummte. Ohne dieses begierige Geräusch klang das Stöhnen, Zischen und Pfeifen des Windes fast einladend.
Kinofilme enthalten normalerweise keinerlei Weisheiten und haben nur wenig mit dem echten Leben zu tun, aber nichtsdestoweniger fielen mir mehrere alte Abenteuerfilme ein, in denen unaufhörlich schlagende Urwaldtrommeln die verschwitzten Forscher unter ihren Tropenhelmen fast in den Wahnsinn getrieben hätten. Ein abruptes Ende des Trommelns war dort kein gutes Zeichen gewesen, denn es bedeutete oft einen unmittelbar bevorstehenden Angriff.
Das hatte man in Hollywood wohl ausnahmsweise realistisch dargestellt.
Da ich spürte, dass mir etwas Schlimmeres und Seltsameres drohte als ein Giftpfeil in der Kehle oder ein Speer durchs Auge, warf ich meine Unentschlossenheit beiseite und hastete auf das Internat zu.
Irgendetwas ragte rechts vor mir im Unwetter auf, verschleiert vom Schnee. Es erinnerte mich an die nackten, von Reif überzogenen Äste eines sich im Wind biegenden Baums, doch es war kein Baum. Auf der Wiese zwischen der Abtei und dem Internat standen keine Bäume.
Was ich ganz kurz gesehen hatte, war ein winziger Aspekt eines mysteriösen Wesens, das mehr Bewusstsein besaß als ein Baumstamm und das sich nicht im Wind bewegte, sondern aus eigenem starkem Antrieb.
Nachdem es gerade genug von sich offenbart hatte, um sich zu einem tieferen Geheimnis zu machen als vorher, hüllte das Ding sich in Schnee ein und verschwand aus meiner Sichtweite. Ganz verschwunden war es nicht, denn ich spürte, dass es sich noch immer neben mir her bewegte wie ein Löwe, der eine von ihrer Herde getrennte Gazelle belauerte.
Ebenfalls nur intuitiv wahrnehmbar, tauchte in meinem Rücken ein weiterer Verfolger auf. Ich hatte den Eindruck, dass er mich jeden Moment von hinten packen und mir den Kopf abreißen konnte wie den Verschluss einer Coladose.
Ein nobles Begräbnis wäre nicht in meinem Sinn gewesen. Die auf meinem Sarg deponierten Kranzspenden hätten mich verlegen gemacht. Allerdings wollte ich auch nicht, dass mein Tod nur vom Rülpsen eines Biests kommentiert wurde, das seinen Durst mit meinen wertvollen Körperflüssigkeiten gestillt hatte.
Während ich mit klopfendem Herzen abwärts rannte, immer wieder verlangsamt durch kleine Schneewehen, lähmte das alles verhüllende Weiß des Blizzards meinen Blick. Der fluoreszierende Schnee ließ meine Augen schmerzen, bis die durch die Luft wirbelnden Flocken aufzuleuchten schienen wie im Blitzlicht eines Stroboskops.
In meinem weiter reduzierten Blickfeld kreuzte etwas meinen Pfad, von rechts nach links, kaum drei Meter von mir entfernt. Seine Größe und Form blieben undeutlich, aber das war noch nicht alles. Ich sah die Kreatur offenbar nur verzerrt, denn der Teil von ihr, den ich ganz kurz erblickt hatte, wirkte auf mich wie ein Konstrukt aus in Eis gehüllten
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