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Schattennacht

Schattennacht

Titel: Schattennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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zuverlässig. Freilich ist diesseits des Paradieses nichts zu hundert Prozent zuverlässig, mal abgesehen davon, dass dein Mobilfunk-Provider seine Serviceversprechungen,
die du naiverweise geglaubt hast, nie im Leben erfüllen wird.
    Verglichen mit der Bevölkerung von Pico Mundo war die des Klosters äußerst überschaubar. Wenn ich mich hier meinem übersinnlichen Magnetismus überließ, dann tat ich das zu Fuß, statt im Auto herumzufahren.
    Anfänglich konzentrierte ich mich auf Bruder Timothy, auf seinen freundlichen Blick und sein legendäres Erröten. Wenn ich nun, da die Cops weg waren, eine Leiche fand, lief ich ja nicht Gefahr, zum Verhör zur nächsten Dienststelle gebracht zu werden.
    Ein Mordopfer aufzuspüren, das der Täter versteckt hat, macht nicht so viel Spaß wie, sagen wir mal, die Suche nach Ostereiern. Übersieht man allerdings ein Ei und findet es erst einen Monat später, so kann der Geruch – falls es sich nicht um eins aus Schokolade handelt – durchaus ähnlich sein. Die Leiche zu entdecken war so wichtig, weil ihr Zustand einen Hinweis auf die Identität des Mörders und vielleicht sogar auf seine weiteren Absichten lieferte.
    Glücklicherweise hatte ich aufs Frühstück verzichtet.
    Als die Intuition mich drei Mal zu drei verschiedenen nach draußen führenden Türen geleitet hatte, leistete ich meinem Drang, mitten im Blizzard weiterzusuchen, keinen Widerstand mehr. Ich zog den Reißverschluss meiner Jacke zu, setzte die Kapuze auf, um sie mit ihrem Klettverschluss unter dem Kinn zu fixieren, und schlüpfte in meine Handschuhe, die in einer Jackentasche gesteckt hatten.
    Der Schnee, den ich am Vorabend so begeistert begrüßt hatte – laut Bruder Knoche mit nach oben gewandtem Gesicht und offenem Mund wie ein Truthahn –, war im Vergleich zu dem, was jetzt auf das Bergtal herabfiel, ein schwaches Vorspiel gewesen. Nun tobte ein Unwetter, wie es ein frisch mit Lembasbrot gedopter Peter Jackson nicht opulenter hätte inszenieren können.
    Der Wind widersprach sich selbst. Erst schlug er von Westen auf mich ein, dann von Norden und schließlich aus beiden Richtungen gleichzeitig. Es war, als würde er mit sich selber ringen, um von seiner eigenen Wut ausgelöscht zu werden.
    Dieser schizophrene Wind peitschte die Schneeflocken zu stechenden Schleiern, zu Trichtern und eisigen Hieben. Ein ähnliches Schauspiel hat ein Dichter einmal als »ausgelassene Architektur des Schnees« beschrieben, doch in diesem Fall handelte es sich weniger um Ausgelassenheit als um ein Trommelfeuer, bei dem der Wind so laut wie ein Artilleriegeschütz donnerte.
    Meine Intuition führte mich zuerst zur Vorderseite der Abtei, dann nach Osten, dann nach Süden … bis mir nach einer Weile klar wurde, dass ich mehr als einmal im Kreis getrottet war.
    Vielleicht funktionierte mein merkwürdiger Magnetismus in einer derart verwirrenden Umgebung nicht – im weißen Tumult der Schneeflocken, im jaulenden Wind, in der Kälte, die mir ins Gesicht kniff und mir Tränen aus den Augen lockte.
    Da ich aus einer Wüstenstadt komme, bin ich in einer starken, trockenen Hitze aufgewachsen, die nicht verwirrend wirkt, sondern entweder entnervt oder den Geist strafft und die Gedanken bündelt. In diesem kalten, wirbelnden Chaos fühlte ich mich fremd, als wäre ich nicht ganz ich selbst.
    Womöglich war ich allerdings auch gehandicapt wegen der Furcht davor, in Bruder Timothys totes Gesicht zu blicken. Was ich finden musste, war in diesem Falle keineswegs das, was ich finden wollte.
    Deshalb gab ich meiner Suche eine neue Richtung. Ich ließ Bruder Timothy ruhen, um stattdessen an die Bodachs zu denken und mich zu fragen, welcher Schrecken uns erwartete. Indem ich mich ganz allgemein der Sorge um die undefinierbare Bedrohung überließ, hoffte ich, zu irgendeiner Person oder einem
Ort hingezogen zu werden, die oder der auf eine noch unbekannte Weise mit der Gefahr verbunden war.
    Was traditionelle Detektivarbeit anging, hatte dieses Verfahren leider nur wenig mit dem von Sherlock Holmes zu tun. Wenn ich ehrlich war, entsprach es eher dem Kaffeesatzlesen.
    Nichtsdestoweniger stellte ich mit einem Mal fest, dass ich aus der sinnlosen Wanderung, die ich bisher unternommen hatte, ausbrach. Mit deutlich größerer Zielstrebigkeit stapfte ich durch den bereits dreißig Zentimeter hohen Schnee ostwärts auf das Internat zu.
    Als ich die Mitte der Wiese erreicht hatte, schrak ich zusammen, duckte mich und wirbelte herum. Ich war mir

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