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Schattennacht

Schattennacht

Titel: Schattennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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damit unzählige Jugendliche einem unerlaubten religiösen Einfluss aussetzen.
    Vielleicht meint ihr, vor Gericht sei dieser Antrag mit Hohngelächter abgeschmettert worden, aber da täuscht ihr euch ebenso wie hinsichtlich des Films mit Halle Berry. Das Gericht stellte sich auf die Seite der Kläger.
    Normalerweise wird man nicht so leicht gefeuert, wenn man im öffentlichen Dienst arbeitet. Selbst Alkoholiker, die nur drei Mal pro Woche zum Dienst erscheinen, werden von der zuständigen Gewerkschaft erbittert verteidigt.
    Miriam hingegen war der Gewerkschaft peinlich und erhielt kaum Unterstützung. Am Ende war sie bereit, sich mit einer bescheidenen Abfindung zufriedenzugeben.
    Anschließend hielt sie sich einige Jahre mit weniger befriedigenden Jobs über Wasser, bevor sie den Weg zu dem neuen Leben fand, das sie nun führte.
    Hinter der Theke der Schwesternstation stehend, überprüfte sie irgendeine Liste, während ich auf sie zukam. Als sie mich hörte, hob sie den Kopf. »Ach, da kommt ja der junge Mr. Thomas, wie üblich von einer Wolke aus Geheimnissen umhüllt!«
    Im Gegensatz zu Schwester Angela, Abt Bernard und Bruder Knoche wusste sie nichts von meiner besonderen Gabe. Mein Generalschlüssel und verschiedene andere Privilegien hatten allerdings ihr Interesse geweckt, und offenbar ahnte sie etwas von meiner wahren Natur.
    »Ich fürchte, Sie verwechseln die Verwirrung, in der ich mich ständig befinde, mit einer geheimnisvollen Aura, Schwester Miriam«, sagte ich.
    Falls man je einen Film über sie gemacht hätte, dann hätte man ihre Rolle nicht mit Halle Berry, sondern mit Queen Latifah
besetzen müssen. Deren Körperumfang und Wucht besaß sie nämlich, und wahrscheinlich noch mehr Charisma.
    Sie betrachtete mich immer freundlich, aber mit Luchsaugen, als wäre ich jemand gewesen, der gern allerhand anstellte, auch wenn das nichts besonders Schlimmes war.
    »So, so«, sagte sie. »Thomas ist eigentlich ein britischer Familienname, aber bei den Sprüchen, die du so klopfst, dürftest du auch ein paar irische Vorfahren haben.«
    »Nein, Iren sind leider nicht darunter. Wenn Sie meine Familie kennen würden, dann wüssten Sie allerdings, dass ich ziemlich merkwürdige Vorfahren habe.«
    »Das überrascht mich gar nicht. Oder sehe ich so aus?«
    »Nein, Schwester, überrascht sehen Sie nicht im Mindesten aus. Könnte ich Ihnen ein paar Fragen über Jacob aus Zimmer vierzehn stellen?«
    »Die Frau, die er immer zeichnet, ist seine Mutter.«
    Von Zeit zu Zeit schien auch Schwester Miriam ein wenig hellseherisch begabt zu sein.
    »Seine Mutter. Das habe ich mir schon gedacht. Wann ist sie gestorben?«
    »Vor zwölf Jahren, an Krebs, als er dreizehn war. Er hat sie sehr lieb gehabt. Offenbar hat sie sich liebevoll um ihn gekümmert.«
    »Was ist mit seinem Vater?«
    Schwester Miriam verzog kummervoll das dunkle Gesicht. »Ich glaube nicht, dass der je von Belang war. Die Mutter hat nie geheiratet. Vor ihrem Tod hat sie dafür gesorgt, dass Jacob in ein kirchliches Heim kam. Als wir später hier angefangen haben, wurde er zu uns verlegt.«
    »Wir haben uns eine Weile unterhalten, aber er ist nicht leicht zu verstehen.«
    Nun sah sie tatsächlich überrascht aus. »Jacob hat mit dir gesprochen? «

    »Ist das ungewöhnlich?«
    »Mit den meisten Leuten spricht er kein Wort. Er ist furchtbar scheu. Mir ist es zwar gelegentlich gelungen, ihn aus seinem Schneckenhaus zu locken, aber …« Sie beugte sich über die Theke und sah mir forschend in die Augen, als würde da ein Geheimnis schwimmen, das sie an die Angel bekommen wollte. »Tja, eigentlich sollte ich nicht überrascht sein, dass er mit dir spricht. Überhaupt nicht. Du hast etwas an dir, das alle dazu bringt, sich zu öffnen, nicht wahr?«
    »Vielleicht liegt es daran, dass ich gut zuhören kann«, sagte ich.
    »Nein«, sagte sie, »nein, das ist es nicht. Nicht, dass du kein guter Zuhörer wärst. Du bist sogar ein außergewöhnlich guter Zuhörer.«
    »Vielen Dank, Schwester.«
    »Hast du mal gesehen, wie eine Drossel mit geneigtem Kopf im Gras steht und auf Würmer lauscht, die sich fast lautlos unter der Oberfläche bewegen? Wenn du dich neben diese Drossel knien würdest, bekämst du den Wurm jedes Mal als Erster.«
    »Das ist eine faszinierende Vorstellung. Wenn es Frühling wird, muss ich das mal ausprobieren. Aber was Jacob angeht – seine Worte sind irgendwie rätselhaft. Er hat ständig von einem Tag gesprochen, an dem er offenbar nicht ans Meer

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