Schattennacht
sicher, ob ich der Fischer bin oder der Fisch mit dem Haken im Maul.
Wir befanden uns in einem Heizraum, umgeben von zischenden Flammenringen und dem Brummen von Pumpen. Vier große Hochleistungskessel erhitzten das Wasser, das unablässig durch die Rohre kreiste und die Heizungen in den Räumen versorgte.
Untergebracht war hier außerdem die Pumpe der Kälteanlage, die sich in Betrieb setzte, wenn es im Gebäude zu warm wurde. Auch sie arbeitete mit einem Wasserkreislauf.
An drei Wänden waren Gasdetektoren angebracht, die bis in die entfernteste Ecke des großen Gebäudes Alarm auslösen und außerdem sofort die Gaszufuhr blockieren sollten, wenn sie auch nur die kleinste Spur Propan im Raum entdeckten. Angeblich war das eine hundertprozentige Garantie gegen jede Explosion.
Eine hundertprozentige Garantie. Narrensicher. Die unsinkbare »Titanic«. Die unfallsichere »Hindenburg«. Frieden in unserer Zeit.
Die Menschheit verträgt nicht nur nicht besonders viel Realität, wir fliehen sogar davor, wenn jemand uns nicht nahe genug ans Feuer zwingt, sodass wir die Hitze auf dem Gesicht spüren.
Keiner der drei Gasdetektoren wies auf die Anwesenheit unvorschriftsmäßig ausgetretener Propanmoleküle hin.
Ich musste mich auf diese Geräte verlassen, weil Propan farb-und geruchlos ist. Hätte ich versucht, mit meinen bescheidenen Sinnesorganen ein Leck aufzuspüren, so wäre mir dessen Vorhandensein erst bewusst geworden, wenn ich aus Sauerstoffmangel umkippte oder wenn alles in die Luft flog.
Alle Detektoren waren mit einem Schloss gesichert und trugen ein geprägtes Metallsiegel mit dem Datum der letzten Inspektion durch die zuständige Wartungsfirma. Als ich die Schlösser und Siegel untersuchte, fand ich keinen Hinweis darauf, dass jemand sich daran zu schaffen gemacht hätte.
Boo war in die am weitesten von der Tür entfernte Ecke des Raums gegangen. Auch ich fühlte mich dorthin gezogen.
Das stark gekühlte Wasser, das auch jetzt im Winter durchs Gebäude kreiste, wurde bei seiner Rückkehr in ein großes Becken in der Nähe des Waldes gepumpt. Dort wandelte ein Kühlturm die unerwünschte Wärme in Dampf um, der in die Luft geblasen
wurde; anschließend kam das Wasser wieder in die Kälteanlage, neben der ich jetzt stand.
Vier dicke PVC-Rohre verschwanden nahe der Ecke, in die es Boo und mich gezogen hatte, oben in der Wand.
Boo schnupperte an einer rechteckigen, gut einen Quadratmeter großen Stahlplatte, die knapp über dem Boden an der Wand angebracht war. Ich kniete mich davor, um sie genauer zu betrachten.
Direkt neben der Platte befand sich ein Lichtschalter. Ich betätigte ihn, aber nichts geschah – falls ich nicht in einem Raum hinter der Wand das Licht angemacht hatte.
Die Platte war mit vier Bolzen an der Betonwand befestigt. Nicht weit davon hing an einem Haken ein Werkzeug, um die Bolzen herauszuziehen.
Nachdem ich das getan hatte, schob ich die Platte beiseite und spähte in das Loch, in dem Boo bereits verschwunden war. Hinter dem Hinterteil und dem eingezogenen Schwanz des großen weißen Hundes sah ich einen erleuchteten Gang.
Ich fürchtete mich keineswegs vor einem Hundefurz, als ich durch die Öffnung kroch, sondern vor dem, was mich sonst da drin erwartete.
Sobald ich die einen halben Meter dicke Betonwand hinter mir gelassen hatte, konnte ich mich aufrichten. Vor mir lag ein rechteckiger Gang, etwa zwei Meter hoch und eineinhalb Meter breit.
Die vier Rohre, die von außen hereinführten, waren nebeneinander an der Decke aufgehängt. Beleuchtet von kleinen Lampen an der Deckenmitte, schienen sie in der Unendlichkeit zu verschwinden.
Am Boden führten links mehrere Rohre aus Kupfer und Stahl entlang, die wahrscheinlich Propangas und Wasser enthielten. Daneben verliefen Stromkabel.
Hier und da sah ich weiße Kalkflecken an der Wand, aber feucht war es hier nicht. Es roch nach sauberem Beton und Kalkstein.
Bis auf das leise Rauschen von Wasser, das durch die Rohre an der Decke floss, war es in dem Gang völlig still.
Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr. In vierunddreißig Minuten musste ich wieder in der Garage sein, um mich mit dem angeblichen Hoosier zu treffen.
Zielbewusst trottete Boo weiter, und ich folgte ihm, ohne auch nur im Mindesten ein klares Ziel zu haben.
Ich bewegte mich so leise, wie es mit Winterstiefeln möglich war, und weil meine glänzende Steppjacke raschelte, wenn ich die Arme bewegte, zog ich sie aus und ließ sie am Boden liegen. Boo machte
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