Schattennacht
ist Trucks Version der Geschichte plausibler. Das Problem ist nur, dass Truck außerdem behauptet, die letzten fünf Präsidenten der Vereinigten Staaten hätten mitten in der Nacht heimlich seinen Wohnwagen aufgesucht, um sich von ihm tätowieren zu lassen. Einen oder zwei solche Besuche würde ich ihm eventuell abnehmen, aber nicht fünf.
Jedenfalls saß Tommy in einer Frühlingsnacht in der Wüste, während am Himmel die weisen Augen seiner Vorfahren zwinkerten (oder die Sterne, falls die Wissenschaft recht haben sollte). Da tauchte auf der anderen Seite des Lagerfeuers die Kreatur mit den drei Köpfen auf.
Der menschliche Kopf sagte kein einziges Wort, während die ihn flankierenden Kojotenköpfe Englisch sprachen. Sie diskutierten
darüber, ob Tommys Kopf besser aussehen würde als der, welcher sich bereits auf dem Hals zwischen ihnen befand.
Dem einen Kojoten gefiel Tommys Kopf, vor allem die stolze Nase. Der andere Kojote war geradezu unverschämt; er meinte, Tommy sehe eher italienisch als indianisch aus.
Da Tommy eine Art Schamane war, erkannte er, dass es sich bei der Kreatur um eine ungewöhnliche Verkörperung des Tricksters handelte, eines Geistes, der in der Überlieferung vieler Indianervölker vorkommt. Als Opfer bot Tommy drei Zigaretten dessen dar, was er in diesen Tagen rauchte, und sie wurden angenommen.
Mit feierlicher Miene rauchten die drei Köpfe schweigend ihre Zigaretten. Nachdem sie die Kippen ins Lagerfeuer gespuckt hatten, verschwand die Kreatur und erlaubte Tommy, seinen Kopf zu behalten.
Nebenbei bemerkt – es könnte eine einfache Erklärung für Tommys Geschichte geben: den Peyote-Kaktus.
Als Tommy am folgenden Tag seine Wanderung fortsetzte, stieß er doch tatsächlich auf die kopflose Leiche eines anderen Wanderers. Laut dem Führerschein in dessen Geldbörse handelte es sich um einen gewissen Curtis Hobart.
In der Nähe fand sich ein abgetrennter Kopf, doch das war der, welcher auf dem mittleren Hals zwischen den Kojoten gesessen hatte. Auf jeden Fall sah er überhaupt nicht wie das Foto auf Curtis Hobarts Führerschein aus.
Mit seinem Satellitentelefon rief Tommy Cloudwalker im Büro des Sheriffs an. Schimmernd wie eine Fata Morgana in der Frühlingshitze, traf daraufhin die Polizei sowohl auf dem Landweg als auch per Hubschrauber ein.
Später stellte der Gerichtsmediziner fest, dass Kopf und Körper wirklich nicht zusammenpassten. Der Kopf von Curtis Hobart wurde ebenso wenig gefunden wie eine Leiche, die zu dem
abgetrennten Kopf passte, der neben seiner Leiche im Sand gelegen hatte.
Während ich hinter Boo durch den Korridor auf den Kühlturm zueilte, wusste ich nicht recht, weshalb Tommys unwahrscheinliche Geschichte ausgerechnet jetzt aus meinem Gedächtnissumpf aufgetaucht war. Sie schien keinen Zusammenhang mit meiner aktuellen Lage aufzuweisen.
Noch später hat sich dann alles aufgeklärt. Selbst wenn ich gerade so dumm wie Bohnenstroh oder Hühnerkacke bin, macht mein Unterbewusstsein Überstunden, um mir die Haut zu retten.
Boo verschwand im Raum mit dem Kühlturm, und nachdem ich mit meinem Generalschlüssel die Brandschutztür aufgeschlossen hatte, folgte ich ihm. Drinnen brannten Neonleuchten.
Wir befanden uns in einem großen hohen Raum voll technischer Gerätschaften. Das Ganze sah aus wie eine Filmkulisse, durch die James Bond einen mit Stahlzähnen und einem doppelläufigen Revolverhut ausgestatteten Bösewicht jagte.
Über uns ragte ein zehn Meter hoher Turm aus Walzblech auf, der auf verschiedenen Ebenen durch eine Reihe roter Stege zugänglich war. Rohre und Leitungen führten zu den Wänden.
Im Innern des Turms und vielleicht auch in einigen der Rohre drehte sich etwas, das ein lautes Dröhnen und Wischen erzeugte, wahrscheinlich riesige Ventilatorschaufeln. Unter Druck stehende Luft zischte und pfiff.
An den Wänden hingen mindestens vierzig große graue Metallgebilde, die wie Verteilerkästen aussahen, nur dass auf allen je ein großer Hebel mit den Stellungen AN/AUS und zwei Signallämpchen, eines rot und eines grün, angebracht waren. Momentan brannten ausschließlich grüne Lämpchen.
Allesamt grün. Großartig. Weiter so. Alles in Butter.
Der Raum bot zahlreiche Orte, an denen sich jemand verstecken
konnte, und durch den Lärm wäre selbst der tapsigste Angreifer schlecht zu hören gewesen, bis er mich in den Klauen hatte. Dennoch entschloss ich mich, die grünen Lämpchen als gutes Vorzeichen zu interpretieren.
Wäre ich an Bord der
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