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Schattennacht

Schattennacht

Titel: Schattennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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war als Ektoplasma, aber trotzdem nicht mehr physische Existenz besaß als dieses.
    Diese Theorie war allerdings recht problematisch. Vor allem war Bruder Timothy tot, und was ihn umgebracht hatte, war kein Gespenst gewesen. Auch der Geländewagen war nicht vom Zorn eines Poltergeists umgeworfen worden.
    Dem entsetzten Ausdruck nach zu urteilen, der allen sonnigen Charme aus dem Bubengesicht von Bruder Leopold vertrieben hatte, dachte der Novize eindeutig nicht an etwas Übernatürliches, sondern an eine Erklärung, die wesentlich erschreckender war.
    Inzwischen waren die Würfel auf dem Boden so zahlreich und winzig geworden, dass sie aussahen wie verstreutes Salz. Und dann war da nur noch nackter Beton, als hätte der Russe nie etwas aus seiner Mütze gekippt.
    Langsam kehrte die Farbe in Bruder Leopolds Gesicht zurück. Er schauderte vor Erleichterung.
    Romanovich wiederum war ein Meister darin, jede auf ihn gerichtete Neugier abzuschütteln. Um die intuitive Annahme der Brüder zu verstärken, dass ich mehr über die Vorgänge wusste als sie, fragte er, während er sich erhob: »Mr. Thomas, was war das für ein Ding da draußen im Schnee?«
    Alle Brüder starrten mich an. Da wurde mir klar, dass ich mit meinem Generalschlüssel und meinem manchmal rätselhaften
Verhalten in ihren Augen immer eine mysteriösere Gestalt gewesen war als der Russe und Bruder Leopold.
    »Das weiß ich auch nicht«, sagte ich. »Ich wünschte, es wäre anders.«
    »Kein Augenzucken«, bemerkte Bruder Quentin. »Hast du dir inzwischen antrainiert, es zu unterdrücken, oder weichst du diesmal tatsächlich nicht aus?«
    Bevor ich etwas erwidern konnte, sagte Abt Bernard: »Odd, ich möchte, dass du die Brüder über deine außergewöhnlichen Fähigkeiten aufklärst.«
    Ich blickte mich um. Die Gesichter der Mönche glühten vor Neugier. »Auf der ganzen Welt gibt es nicht halb so viele Menschen, die mein Geheimnis kennen, wie hier im Raum sind«, sagte ich. »Das fühlt sich an, als würde ich es öffentlich bekanntgeben. «
    »Ich weise hiermit alle an, deine Worte wie eine Beichte zu behandeln«, sagte der Abt. »Wenn sie deine Beichtväter sind, werden sie dein Geheimnis bewahren.«
    »Das trifft nicht auf alle zu«, sagte ich. Statt Bruder Leopold zu beschuldigen, er sei unehrlich, was sein Interesse am Klosterleben und seine Gelübde als Novize anging, richtete ich meinen Blick dabei ausschließlich auf Romanovich.
    »Ich bleibe«, verkündete der Russe und setzte sich die Bärenfellmütze auf den Kopf, als wollte er seinen Entschluss damit bekräftigen.
    Mir war schon klar gewesen, dass er darauf bestehen würde mitzuhören, was ich den anderen zu berichten hatte. Eine kleine Stichelei konnte ich trotzdem nicht lassen: »Müssen Sie denn nicht noch ein paar vergiftete Kuchen verzieren? «
    »Nein, Mr. Thomas, ich bin mit allen zehn fertig.«
    Nachdem ich noch einmal in die ernsten Gesichter der Mönche
geblickt hatte, sagte ich: »Ich sehe die Geister von Toten, die an dieser Welt festhalten.«
    »Dieser Bursche«, mischte Bruder Knoche sich ein, »weicht vielleicht manchmal Fragen aus, wenn es sein muss, aber er kann nicht besser lügen als ein Kleinkind.«
    »Danke«, sagte ich. »Falls das ein Kompliment gewesen sein sollte.«
    »In meinem früheren Leben«, fuhr Knoche fort, »bevor Gott mich gerufen hat, da hab ich in einem dreckigen Tümpel voller Lügen und Lügner gelebt und bin so gut darin geschwommen wie die anderen. Odd, der ist nicht wie die, nicht so, wie ich es einmal war. Eigentlich ist er überhaupt nicht wie irgendjemand, der mir bisher über den Weg gelaufen ist.«
    Nach dieser liebenswürdigen und von Herzen kommenden Bürgschaft erzählte ich meine Geschichte so knapp, wie es überhaupt möglich war. Dabei erwähnte ich auch, ich hätte mit meinen Fähigkeiten mehrere Jahre lang den Polizeichef von Pico Mundo unterstützt, der bei Abt Bernard für mich gebürgt habe.
    Gebannt hörten die Brüder zu, ohne irgendwelche Zweifel zu äußern. Geister und Bodachs gehörten zwar nicht zu ihrer Glaubenslehre, doch sie waren Menschen mit der absoluten Überzeugung, dass das Universum von Gott geschaffen und einer heiligen Ordnung unterworfen war. Nachdem sie eine Möglichkeit gefunden hatten, die Existenz des im Sturm aufgetauchten Monsters zu begreifen, indem sie es als Dämon definierten, brachte es sie jetzt nicht mehr ungebührlich durcheinander, dass ein unbedeutender, neunmalkluger Grillkoch von ruhelosen Toten

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