Schattennacht
in meinem Schoß, wo es zuckte wie ein zertretener Krebs. Mein Schrei war bestimmt ebenso männlich wie der eines Schulmädchens, das von einer haarigen Spinne überrascht wird. Ich wischte das Ding aus dem Schoß auf den Boden.
Es fühlte sich kalt und glatt an, nicht schmierig und feucht. Irgendwelche Lebenswärme schien es nicht zu besitzen.
Das Knochenpaket schnarrte zwischen meinen Füßen, nicht mit der Absicht, mich zu verletzen, sondern wie der sinnlos zuckende Leib einer geköpften Schlange. Trotzdem zog ich rasch die Knie an, und wenn ich welche getragen hätte, so hätte ich bestimmt auch meine Unterröcke geschürzt.
Nachdem wir etwa zehn Meter hinter dem umgestürzten Wagen zum Stehen gekommen waren, stieß Knoche zurück, bis wir wieder daneben standen. Dabei knackte und knirschte es unter den Reifen.
Als ich ausstieg, sah ich, dass die Straße mit zuckenden Knochengebilden übersät war, den zersplitterten Überresten der zerstörten Kreatur. Manche waren so groß wie Staubsauger, andere waren eher mit Toastern zu vergleichen, aber alle falteten und entfalteten sich ständig zu neuen Formen, als versuchten sie, den Beschwörungen eines unsichtbaren Hexers zu gehorchen.
Außerdem waren überall einzelne Knochen in allen Formen und Größen verstreut. Sie rasselten an Ort und Stelle wie bei einem Erdbeben, doch der Boden unter meinen Stiefeln zitterte kein bisschen.
Ich kickte die Trümmer beiseite, während ich mir einen Weg zu dem umgestürzten Geländewagen bahnte und auf seine Seite kletterte. Von innen starrten die wild durcheinandergeworfenen Insassen mich mit weit aufgerissenen Augen an.
Ich zog eine Tür auf, und Bruder Rupert kletterte neben mich, um mir zu helfen. Bald hatten wir den Russen und die Mönche herausgezogen.
Manche hatten blaue Flecken und alle waren ordentlich durchgeschüttelt worden, aber eine ernsthafte Verletzung hatte keiner von ihnen davongetragen.
Was unseren Geländewagen anging, waren sämtliche Reifen von spitzen Knochenpartikeln durchbohrt worden. Die Felgen lagen auf plattem Gummi auf. Wir mussten die restlichen hundert Meter bis zum Internat also zu Fuß zurücklegen.
Es war nicht nötig, dass jemand warnend bemerkte, wenn ein wandelndes Knochenkaleidoskop existierte, dann könnten noch weitere auftauchen. Ob es nun am Schock oder an der Angst lag, es fielen überhaupt nur wenige Worte, und die wurden mit ganz leiser Stimme ausgesprochen.
Hastig machten sich alle daran, die Ausrüstung auszuladen, die wir mitgebracht hatten, um das Internat zur Festung auszubauen und zu verteidigen.
Allmählich wurden die rasselnden Knochentrümmer leiser. Manche von ihnen begannen, in verschieden große Würfel zu zerfallen. Ich hatte den Eindruck, als wären es gar keine Knochen gewesen, sondern aus kleineren, miteinander verzahnten Teilen gebildete Strukturen.
Bevor wir losmarschierten, nahm Rodion Romanovich seine Mütze ab, bückte sich und schaufelte einige der Würfel ins Bärenfell.
Er hob den Kopf und sah, dass ich ihn beobachtete. Ungerührt richtete er sich auf, die Mütze in den Fingern wie eine mit Schätzen gefüllte Handtasche. Dann griff er nach etwas, das nicht wie ein Werkzeugkasten, sondern eher wie ein großer Aktenkoffer aussah, und wandte sich dem Internat zu.
Im Wind, der uns beutelte, schienen allerhand Stimmen zu toben,
zornig und rasch immer zorniger werdend. Ihre Sprache war unverständlich, aber bestens für Flüche, Verwünschungen, Lästerungen und Drohungen geeignet.
Der verhangene Himmel sank auf die matte Landschaft herab, und sobald der Horizont verschwunden war, verschwammen auch die Umrisse der mich umgebenden Menschen. Das trübe Licht verbreitete sich so gleichmäßig, dass es nichts erhellte, sondern nur blendete und keinerlei Schatten schuf. In dieser weißen Finsternis lösten sich schließlich auch die letzten Konturen der Umgebung auf. Wir sahen nur noch, was sich direkt unter unseren Füßen befand, und gingen blind ins Schneegestöber.
Durch meinen Magnetismus kann ich mich einfach nicht verirren. Zumindest ein Teil der Brüder wäre jedoch, nur wenige Dutzend Meter vom Internat entfernt, womöglich für immer im Sturm verschwunden, wären sie nicht eng beieinander geblieben. Glücklicherweise konnten sie sich an den Weg halten, der von den Schneepflügen freigelegt worden war.
Die wandelnden Knochengebilde, die womöglich noch in der Nähe lauerten, waren vom Schneetreiben wahrscheinlich nicht so geblendet wie wir. Auf
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