Schattenpakt - Roland, L: Schattenpakt - Viper Moon (01 The Novel of the Earth Witches)
bis wir Fahrzeuge hörten, die vor der Tür anhielten.
An der Bordsteinkante standen zwei lange schwarze Kisten aus Stahl. Zuerst dachte ich, es wären diese Spritfresser, die man als Hummer bezeichnete. Doch ein genauerer Blick reichte, und ich wusste, dass es andere Fahrzeuge waren. Es waren größere, stärkere und vielleicht sogar gepanzerte Wagen, die als Autos getarnt waren und das leise Brummen von Dieselmotoren von sich gaben. Vielleicht hätte ich Dacardi doch nicht sagen sollen, dass ich bereit wäre, einen Krieg anzufangen. Ich hatte an einen kleinen Sturmtrupp gedacht, nicht an eine ausgewachsene Invasion.
Nofretete bewegte sich in dem Korb, den ich in der Hand hielt. Sie kam ursprünglich aus den Abwasserkanälen und würde meine Führerin sein. Ich steckte Selenes ausgestopften Hasen und Richards dreckige Unterhose zu ihr in den Korb, damit sie deren Geruch kannte.
Flynn und ich stiegen hinten bei der breiten, mit Leder bezogenen Rückbank ein. Dacardi saß vor uns in einem der Schalensitze. Der Fahrer war nicht einer seiner üblichen Schläger, sondern dieser wirkte aufgeweckter und wachsamer. Seltsame Instrumente schimmerten am Armaturenbrett und erfüllten den Innenraum mit einem grünen Leuchten, und hinter uns war alles beladen … wahrscheinlich mit Schusswaffen und Munition. Dacardi hatte den Einsatz in einem Maße erhöht, den ich nicht für möglich gehalten hätte. Ich war angemessen beeindruckt.
»Verdammt, Dacardi, nette Kisten. Was sind das für welche?«
»MRAPs. Gepanzerte Militärfahrzeuge. Zur Sicherung der Insassen und Waffen. Nur für den Fall.« Dacardi kicherte, doch es klang trocken und blass.
»Werden sie denn nicht von der Armee vermisst werden?«
»Die Armee will sie haben.« Stolz schwang in seiner Stimme mit. »Ich hab eine Produktionsanlage im Süden. Vielleicht verkaufe ich ein oder zwei ans FBI, wenn die nett drum bitten – und aufhören, in meinen Angelegenheiten herumzustochern.« Er hielt ein kleines Gerät hoch. »Satellitenortung«, erklärte er. »Wenn wir so weit sind, können meine Männer uns finden und herausholen.«
Gut. Er wusste, dass wir nicht zu viele Männer mitnehmen konnten. Carlos Dacardi war mehr als ein Verbrecherboss, vielleicht ein internationaler Waffenhändler, ein Mann, dessen Großmutter ihn in die Welt der Magie eingeführt hatte. Ein Mann, der seinen Sohn so sehr liebte, dass er für ihn alles aufs Spiel setzte. Ich warf Flynn einen Blick zu. Wie gewöhnlich gab seine verschlossene Miene nichts über sein Innenleben preis oder den Zwiespalt, der jetzt in ihm toben musste.
Nofretetes Kopf kam aus dem Korb, den ich zwischen meine Füße gestellt hatte. Sie streckte sich Dacardi entgegen, wobei sie mit Lichtgeschwindigkeit züngelte, um ihre Umgebung zu erkunden.
Dacardi starrte sie an.
»Sie wird Ihnen nichts tun«, sagte ich.
»Hallo Schlange«, sagte er leise. Er hielt ihr seine Hand hin, und Nofretete stieß wie eine Katze mit ihrem Kopf dagegen, ehe sie sich einen Moment lang um sein Handgelenk schlang, um sich dann wieder in ihren Korb zurückzuziehen. Sie hatte ihn akzeptiert. Ein gefährliches Wesen erkannte wohl, wenn es einen ihm Ebenbürtigen sah.
»Ich habe heute meine Mutter angerufen«, erzählte Dacardi. »Das hatte ich seit Jahren nicht mehr getan. Meine Mutter mag mich nicht sonderlich. Aber ich wollte nach meiner Großmutter fragen. Sie ist letztes Jahr gestorben. Man musste sie einäschern lassen, weil sie nicht auf Kirchenboden begraben werden durfte. Der Gemeindepfarrer versuchte noch, sie dazu zu bringen, zu beichten, ehe sie ging, aber sie wollte nichts davon wissen. Wahrscheinlich wären ihm dabei die Ohren abgefallen. Die alte Hexe ist hundertfünf geworden.«
Ich lächelte. Ich wusste nicht, ob seine Großmutter der Mutter oder irgendeinem anderen Wesen gedient hatte, aber ich konnte mir gut vorstellen, wie irgendein Priester Abby mit Schmeicheleien dazu zu bringen versuchte, die Beichte abzulegen.
Auf wen konnte ich heute Nacht zählen? Auf den loyalen Flynn, der mich deckte, und die schnelle, gefährliche Nofretete. Die beiden mussten reichen. Dacardi würde wahrscheinlich auch auf meiner Seite sein, zumindest, bis er seinen Sohn gefunden hatte. Die unbekannte Größe war natürlich Michael. Ich musste eine Entscheidung treffen. Sollte ich den Erzengel zurücklassen? Er hatte sich die Mühe gemacht, mich persönlich zum Goblin Den zu begleiten, wo ich hätte verletzt oder getötet werden können, wäre
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