Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schattenpferd

Titel: Schattenpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
Vom Netzwerk:
die Boxen von Michael Berne ausmisten. War ich hier nicht richtig?
    Bernes Name war das Einzige, was die Frau verstand. »Michael Berne?«, fragte sie mit verkniffenem Gesicht. »Was ist mit ihm?«
    »Ich soll für Michael Berne arbeiten«, brachte ich stockend hervor.
    »Das sind nicht seine Pferde!«, blaffte sie. »Was ist los mit dir? Kannst du nicht lesen? Du bist im falschen Stall.«
    »Falsch?«, fragte ich.
    »Der falsche Stall«, sagte die Frau laut. »Michael Berne. Da entlang!«, brüllte sie und wedelte mit dem Arm.
    »Tut mir Leid«, sagte ich, schlüpfte aus der Box und schloss die Tür. »Tut mir sehr Leid.«
    Ich stellte die Mistgabel ab, zuckte mit den Schultern, spreizte meine Hände, machte ein dümmliches Gesicht.
    »Michael Berne«, wiederholte die Frau und wedelte wie die verrückte Teilnehmerin an einer Scharade.
    Ich nickte und verzog mich. » Merci , merci .«
    Den Kopf gesenkt, die Schultern vorgezogen, die Kappe tief in der Stirn, trat ich aus dem Zelt hinaus. Paris ritt auf Park Lane davon, sah aus wie ein Covergirl von Town and Country .Jades Golfwagen fuhr hinter ihr her, mit Jane Lennox und ihrem Zuckerwatteballon aus apricotfarbenem Haar hinter dem Steuer.
    Ich ging in Jades Reihe ins Zelt zurück. Javier, der offenbar befördert worden war, führte Trey Hughes’ Grauen in die Pflegebox. Ich wartete, bis er angefangen hatte zu arbeiten, und schlich dann unbemerkt in die Sattelkammer.
    Die Spurensicherung hatte am Tag zuvor ganze Arbeit geleistet. Die rußigen Überreste von Fingerabdruckpulver klebten an den Schränken. Gelbes Absperrband hing am Türrahmen.
    Es gefiel mir nicht, dass Jade abwesend war, und das nur zwei Stunden vor der Geldübergabe. Um was im Zusammenhang mit Jill Morones Tod musste er sich persönlich kümmern? Er hatte sich nicht die Zeit nehmen wollen, Fragen zu beantworten, als die Polizei die Leiche aus dem Misthaufen gegraben hatte. Er wollte nicht mit Einzelheiten belästigt werden, wenn er auf einem Pferd hätte sitzen sollen. Einzelheiten waren Paris Montgomerys Aufgabe als seine Assistentin. Die Einzelheiten, die Drecksarbeit, die PR, das Alltägliche. All der ermüdende Kleinkram und nichts vom Ruhm. Das Los einer Trainerassistentin.
    Heute nicht. Heute würde Paris den Star des Stalles auf dem Parcours reiten, während die reiche Besitzerin zuschaute. Ein glücklicher Zufall.
    Ich fragte mich, wie loyal Paris Montgomery gegenüber Jade wirklich war. Sie war schnell dabei, ein Lippenbekenntnis abzulegen, aber ihre Komplimente für und ihre Verteidigung von Don Jade schienen immer zwei Seiten zu haben. Sie hatte drei Jahre lang in Don Jades Schatten gestanden, seine Geschäfte geführt, sich um seine Kunden gekümmert, die Pferde ausgebildet. Wenn Jade aus dem Spiel war, könnte das für Paris Montgomery eine unglaubliche Chance sein. Andererseits besaß sie keinen Namen bei den internationalen Springreitern. Ihr Talent auf dem Dressurviereck musste erst noch erkannt werden. Dazu brauchte sie die Unterstützung einiger wohlhabender Kunden.
    Und in wenigen Minuten würde sie mit Park Lane auf den Parcours reiten, vor den Augen von Jane Lennox, die kurz davor stand, Jades Schiff zu verlassen.
    Ich sah mich in der Sattelkammer um, ein Auge auf die Tür gerichtet, immer in der Furcht, entdeckt zu werden. Paris hatte den Schrankkoffer offen gelassen. Saubere Hemden und Jacketts hingen ordentlich auf der Stange. Jeans und ein T-Shirt waren achtlos auf den Boden geworfen worden. Eine lederne Tragetasche lag halb verdeckt unter einer abgelegten Bluse auf dem Boden des Koffers.
    Nach einem erneuten raschen Blick zur Tür hockte ich mich hin und durchwühlte die Tasche, fand aber nichts Interessantes oder Wertvolles. Eine Haarbürste, ein Turnierplan, ein Make-up-Etui. Keine Geldbörse, kein Handy.
    Rechts unten, unter einer Reihe von Schubladen, war eine kleine Plastikkassette im Kofferboden verschraubt. Ich versuchte sie zu öffnen. Das billige Schloss hielt, aber die dünnen Plastikscharniere wackelten, als ich am Deckel zog. Ein gewöhnlicher Dieb hätte das Ding in Ruhe gelassen und wäre zu den vielen offenen Sattelkammern weitergezogen, wo Geldbörsen sorglos und gut sichtbar herumlagen.
    Ich war kein gewöhnlicher Dieb.
    Wieder schaute ich zur Sattelkammertür, rüttelte dann am Deckel der Kassette, zerrte und zog an der Seite mit den Scharnieren. Sie bewegten sich und gaben ein wenig nach, quälten mich mit der Möglichkeit, sich eventuell zu öffnen. Dann

Weitere Kostenlose Bücher