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Schattenpferd

Titel: Schattenpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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herunter wie eine Ansammlung halb leer gepumpter Lederballons.
    »Was kann ich für Sie tun, Schätzchen?«, fragte sie. Eine New Yorker Pflanze mit riesiger Jackie-O-Sonnenbrille. Sie musste an die siebzig sein und schien davon achtundsechzig mit Sonnenbaden verbracht zu haben. Ihre Haut war so braun und faltig wie die der Eidechsen, die auf ihrem Grundstück hausten. Sie rauchte eine Zigarette und hielt zwei unglaublich fette rote Katzen an Leinen. Der Anblick machte mich vorübergehend sprachlos.
    »Ich suche meine Nichte«, sagte ich schließlich. »Erin Seabright. Sie wohnt doch hier?«
    Sie nickte, ließ die Zigarettenkippe fallen und trat sie mit der Spitze ihrer blauen Neopren-Taucherstiefel aus. »Erin. Die Hübsche. Hab sie seit zwei Tagen nicht mehr gesehen, Schätzchen.«
    »Nein? Ihre Familie auch nicht. Wir machen uns allmählich Sorgen.«
    Die Frau spitzte die Lippen und wedelte meine Sorgen weg. »Bah! Die ist wahrscheinlich bei ihrem Freund.«
    »Freund? Wir wussten nicht, dass sie einen Freund hat.«
    »Was für eine Überraschung«, meinte sie sarkastisch. »Ein Teenager, der seiner Familie nicht alles erzählt. Ich hatte allerdings den Eindruck, dass es mit den beiden nicht mehr lange gut gehen würde. Hab sie neulich Abend streiten hören.«
    »Wann war das?«
    »Letzte Woche. Ich weiß nicht genau. Vielleicht Donnerstag oder Freitag.« Sie zuckte mit den Schultern. »Ich bin pensioniert. Was weiß ich, welcher Tag ist? Ist doch einer wie der andere. Ich weiß nur, dass ich am nächsten Morgen mit meinen Schätzchen Gassi gegangen bin und jemand mit einem Schlüssel den Lack von Erins Auto zerkratzt hatte. Ich hätte ja ein Tor vor dem Grundstück, um das Gesindel abzuhalten, wenn mein fauler Sohn mal vorbeikommen und es reparieren würde. Dem ist es doch egal, ob ich vergewaltigt oder ermordet werde. Der glaubt, er erbt.«
    Sie kicherte leise und sah zu ihren Katzen hinunter, ließ sie auf telepathische Weise an dem Scherz teilhaben. Eine der Katzen lag auf dem Rücken im Dreck und streckte die Hinterpfoten aus. Die andere stürzte sich mit angelegten Ohren auf den Fuß der Frau.
    »Bah! Cecil! Beiß Mami nicht in den Zeh!«, schimpfte sie. »Letztes Mal hat er sich entzündet. Ich dachte, ich sterbe daran.«
    Sie trat nach der Katze und die Katze trat zurück, flitzte dann an ihrer Leine, so weit sie konnte, und fauchte. Das Vieh wog mindestens zwölf Kilo.
    »Könnte ich mir die Wohnung mal anschauen?«, fragte ich höflich. »Vielleicht deutet ja irgendwas darauf hin, wo Erin ist. Ihre Mutter macht sich große Sorgen.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Klar. Warum nicht? Sie sind ja eine Verwandte.«
    Die Art Vermieterin, die wir uns alle wünschen. Schutz des Eigentums? Welches Eigentum?
    Sie band die Leinen an den Griff der kaputten Fliegentür, fummelte in dem Beutel, der ihr um den Hals hing, und förderte einen Schlüsselbund, eine Zigarette und ein leuchtend rosafarbenes Feuerzeug zu Tage. Während wir um die Garage herumgingen, in deren Sperrholzwand zwei Türen und Fenster eingelassen worden waren, wo sich einst die Garagentore befunden hatten, zündete sie sich die Zigarette an.
    »Als ich das Gästehaus bauen ließ, habe ich es in zwei Apartments unterteilen lassen«, vertraute mir die Frau an. »Ein Bad. So kann man mehr Miete verlangen. Halb privat. Jedes sieben fünfzig pro Monat.«
    Siebenhundertfünfzig Dollar pro Monat, um in einer Garage zu wohnen und das Bad mit einem Fremden zu teilen.
    »Ich heiße übrigens Eva«, sagte sie und schob sich die Sonnenbrille auf den Kopf. »Eva Rosen.«
    »Ellen Stuart.«
    »Sie sehen gar nicht aus, als würden Sie zur Familie gehören«, sagte Eva und betrachtete mich aus schmalen Augen, als wir das Apartment betraten.
    »Angeheiratet.«
    Das Apartment bestand aus einem einzigen Raum mit Plastikbodenbelag und einer Ansammlung schrecklicher Ramschmöbel. In einer Ecke war eine Küchenzeile untergebracht, eine kleine Spüle voll mit dreckigem Geschirr, über das Ameisen krochen, zwei Kochplatten, eine Mikrowelle und ein Minikühlschrank. Das Bett stand ungemacht an der hinteren Wand.
    Es gab kein Anzeichen, dass hier jemand gewohnt hatte. Keine Kleidung, keine Schuhe, nichts Persönliches.
    »Sieht aus, als wäre sie ausgezogen«, sagte ich. »Haben Sie gesehen, dass sie ihre Sachen ins Auto geladen hat?«
    Eva drehte sich in der Mitte des Zimmers um; ihr Mund stand offen, die Zigarette klebte an der Unterlippe und zitterte gefährlich.

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