Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schattenpferd

Titel: Schattenpferd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
Vom Netzwerk:
aus, als ich mich umdrehte und ihn ansah. »Sie sollten in die Notaufnahme gehen. Ich fahr Sie hin. Sie könnten sich eine Rippe oder sonst was gebrochen haben.«
    »Mir ist schon Schlimmeres passiert.«
    »Meine Güte, sind Sie ein Sturkopf.«
    »Ich will Ihr Mitleid nicht«, sagte ich. »Ich will Ihr Mitgefühl nicht. Ich will nicht, dass Sie mich mögen oder sich darum kümmern, was mit mir geschieht. Ich will nichts von Ihnen, außer dass Sie Ihren Job machen. Und das ist offensichtlich zu viel verlangt. Danke, ich finde allein raus. Ich kenne den Weg.«
    Er folgte mir zum Empfang zurück. Wir schwiegen beide, als wir unsere Waffen entgegennahmen. Ich tat so, als hätte er aufgehört zu existieren, während wir durch die Eingangshalle und die Treppe hinuntergingen.
    »Ich mach meine Arbeit wirklich gut!«, sagte er, als wir uns der Tür näherten.
    »Ach ja? Welche Arbeit? Haben Sie einen zweiten Beruf als professionelles Arschloch?«
    »Sie sind ziemlich unerträglich.«
    »Ich bin das, was ich sein muss.«
    »Nein, sind Sie nicht. Sie sind unverschämt und Sie sind ein Miststück und dadurch fühlen Sie sich uns anderen überlegen.«
    Es goss immer noch. Die Neonlampen auf dem Parkplatz ließen den Regen wie eine weiße Wand aussehen. Saunders und sein Streifenwagen waren verschwunden.
    »Na toll«, sagte ich. »Jetzt muss ich Sie ja wohl doch bitten, mich mitzunehmen.«
    Landry sah mich von der Seite an und stellte den Kragen seines Jacketts auf. »Sie können mich mal. Rufen Sie sich ein Taxi.«
    Ich sah zu, wie er in seinen Wagen stieg, und blieb im Regen stehen, bis er zurückgesetzt hatte und weggefahren war. Dann ging ich hinein, um das Telefon zu benutzen.
    Ich konnte wohl kaum behaupten, es nicht selbst herausgefordert zu haben.
    Als das Taxi endlich kam, wollte der Fahrer unbedingt plaudern, war neugierig, was ich um 3 Uhr 45 im Büro des Sheriffs gemacht hatte. Ich erzählte ihm, mein Freund würde wegen Mordes gesucht. Danach stellte er mir keine Fragen mehr.
    Vorsichtig ließ ich mich gegen die Rücklehne sinken und dachte auf der Heimfahrt darüber nach, wie Erin Seabright wohl die Nacht verbrachte.

ZWEITER AKT
    E RSTE S ZENE
     
    AUFBLENDE
     
    INNEN: ALTER WOHNWAGEN
     
    Nacht. Eine einzelne Glühbirne in einer Lampenfassung ohne Schirm. Keine Vorhänge an dem dreckigen Fenster. Ein rostiges altes Bettgestell. Fleckige Matratze ohne Bettlaken.
     
    Erin sitzt auf dem Bett, zusammengekauert am Kopfende, verängstigt, nackt. Sie ist mit einem Handgelenk ans Bett gekettet. Ihr Haar ist verfilzt. Wimperntusche hat schwarze Ringe unter ihren Augen gebildet. Ihre Unterlippe ist aufgeplatzt und blutig.
     
    Sie ist sich der Kamera und des Regisseurs voll bewusst. Sie versucht, so viel wie möglich von sich zu bedecken. Sie weint leise, verbirgt ihr Gesicht.
     
    REGISSEUR
     
    Schau in die Kamera, dämliche Kuh. Sprich deinen Text.
     
    Sie schüttelt den Kopf, verbirgt immer noch das Gesicht.
     
    REGISSEUR
    Sprich ihn! Oder soll ich dich dazu zwingen?
     
    Sie schüttelt den Kopf und schaut in die Kamera.
     
    ERIN
    Hilf mir.
     
    ABBLENDE

10
    Landry bekam keinen Schlaf, und daran war Estes schuld. Ihre Schuld, dass er überhaupt aus dem Bett geholt worden war. Ihre Schuld, dass er nicht wieder einschlafen konnte, als er endlich zu Hause war. Jedes Mal, wenn er die Augen schloss, sah er ihren Rücken mit den kreuz und quer verlaufenden Narben, wo ihr neue Haut eingesetzt worden war. Die Blutergüsse, die nach ihrem Zusammenstoß im Reiterzentrum allmählich an die Oberfläche kamen, waren unbedeutend, bleiche Schatten unter den alten Verletzungen.
    Verletzungen. Er überlegte, was er über Estes wusste. Ihre Wege hatten sich nicht gekreuzt, als sie noch bei der Polizei war. Drogenfahnder waren ein Volk für sich. Nach seinem Dafürhalten verbrachten sie zu viel Zeit mit verdeckten Ermittlungen. Das machte sie nervös und unberechenbar. Eine Meinung, die durch den Vorfall bestätigt worden war, der ihre Karriere und Hector Ramirez’ Leben beendet hatte. Von diesem Vorfall wusste Landry nur das, was alle wussten: Estes war vorgeprescht, hatte Befehle missachtet, um die Verhaftung selbst vorzunehmen, und dann war der Teufel los gewesen.
    Landry hatte nie einen Gedanken an Estes verschwendet, hatte nur gedacht, dass sie mit dem Verlust ihres Jobs das bekommen hatte, was sie verdiente. Er wusste, dass sie verletzt worden war, im Krankenhaus gelegen und das Büro des Sheriffs auf Versehrtenrente verklagt

Weitere Kostenlose Bücher