Schattenreiter
viel besser als in meinem Traum. Unendlich süß. Ich fühlte mich gelöst, all die Schmetterlinge, die in meinem Bauch gefangen gewesen und wild durcheinandergeflattert waren, durften nun aus ihrem engen Gefängnis und breiteten sich in meinem ganzen Körper aus. Überall kribbelte es, ich fühlte mich wie elektrisiert. Meine Lippen wurden heiß, prickelten wild und intensiv.
»Du fühlst dich unglaublich gut an, kleines Stadtmädchen«, flüsterte er. Dieses Mal war es liebevoll gemeint.
»Du auch.«
Kräftig und besitzergreifend legte er mir den Arm um die Taille. »Du steckst nun in echten Schwierigkeiten«, eröffnete er mir und sah mich schelmisch an.
»Weil ich als Zeugin gegen Sid aussagen muss? Kein Problem. Damit komme ich klar.«
Er schüttelte grinsend den Kopf. »Das meine ich nicht. Vergiss den Kerl.«
Und noch ehe ich widersprechen konnte, fuhr er sanft mit dem Zeigefinger über meine Lippen. Ich gab ihm einen Kuss.
»Weil es ganz und gar unvernünftig ist, dass du hier bei mir bist. Ich es aber dennoch so will«, sagte er.
»Auch damit komme ich klar. Davon abgesehen, brauchst du mich. Wer soll dir sonst den Verband wechseln?«
Er lachte und breitete die Decke über uns aus, hüllte uns darin ein wie in einen Kokon. Wohltuende Wärmeumfing mich. Seinen Körper so nah an meinem zu spüren setzte eine Überdosis Endorphine frei.
»Meine Tante wird sich Sorgen machen, wenn ich nicht bald auftauche«, sagte ich halbherzig, denn eigentlich genoss ich seine Nähe viel zu sehr, um tatsächlich an Aufbruch zu denken.
»Bleib noch. Nur ein bisschen.«
Seine dunklen Augen funkelten geheimnisvoll. Eine ungestillte Sehnsucht lag in dieser unendlichen Tiefe verborgen.
6. K APITEL
E in Arm legte sich besitzergreifend um mich, und ich schreckte aus dem Schlaf. Mein erster Impuls war, ihn wegzuschieben. Doch dafür fühlte er sich viel zu gut an.
Das Sonnenlicht fiel ins Zimmer. Masken aus Rinde starrten mich von der gegenüberliegenden Wand an. Langsam kehrte die Erinnerung zurück. Die Müdigkeit hatte mich übermannt, und ich musste in Rins Armen eingeschlafen sein. Er lag neben mir, schlief tief und fest. Sein leiser Atem kitzelte sanft mein Ohrläppchen.
Der Tag hatte begonnen. Sicherlich machte sich meine Tante Sorgen. Hätte ich damit gerechnet, die Nacht bei Rin zu verbringen, hätte ich ihr eine Nachricht hinterlassen.
Es wäre vernünftig gewesen, jetzt aufzustehen und nach Calmwood zu fahren, um ihr alles zu erklären. Aber ich genoss es viel zu sehr, in seinem Bett zu liegen, wo alles nach ihm duftete.
Ich drehte mich auf die Seite. Seine vollen Lippen waren einladend geöffnet, als verlangten sie nach einem Kuss.
Mein Blick ging tiefer, über sein markantes Kinn zu seinem starken Hals und zu seinem Oberkörper, der herrlich gebräunt und sehr muskulös war, soweit ich das erkennen konnte, denn die Decke versperrte mir die Sicht auf die interessanten Details.
Das Haar hing ihm ins Gesicht, ließ es sehr schmal wirken. Vorsichtig strich ich ihm eine Strähne aus der Stirn, um ihn genauer zu betrachten. Wie schön er im Licht der Morgensonne aussah. Fast als wäre er gar nicht menschlich, sondern ein dunkler, aber wunderschöner Engel, der herunter auf die Erde gekommen war, um mich zu beschützen.
Ich ließ die Strähne in sein Gesicht zurückgleiten und genoss es, einfach nur bei ihm sein zu dürfen. Seine Brust bewegte sich im Rhythmus seines Atems, stark und gleichmäßig. Er strahlte Wärme aus. Ich zog meine Füße, die morgens immer eiskalt waren, eng an mich, drängte mich an Rins Körper und versuchte, mich an ihm zu wärmen. In dieser Position döste ich vor mich hin. Wer hätte gedacht, dass dieser Urlaub so interessant würde? Nach einer halben Stunde, in der ich einfach nur dagelegen hatte, entschied ich mich, doch aufzustehen. Ich konnte Abigail nicht länger warten lassen.
Gerade als ich meine nackten Füße unter der Decke hervorstreckte, spürte ich einen sanften Kuss in meinem Nacken.
»Guten Morgen, Jorani.«
Ich hatte gar nicht bemerkt, dass er aufgewacht war. Oder war er die ganze Zeit über wach gewesen und hatte sich nur schlafend gestellt? Bei Rin wusste man nie so genau.
»Morgen.« Ich drehte den Kopf nach hinten. Unsere Münder berührten sich. Er schmeckte so süß, dass ich schon verführt war, länger hierzubleiben. Sein warmerOberkörper drückte sacht gegen meinen Rücken, und seine Arme umschlangen mich. Er legte den Kopf auf meine Schulter. »Und
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