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Schattenreiter

Schattenreiter

Titel: Schattenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Nikolai
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fliehen.
    »Du möchtest nicht, dass ich sie treffe, oder?« Vielleicht erwarteten sie, dass er ein Mädchen aus seinem Dorf heiratete.
    »Nein! Wie kommst du denn darauf?« Er setzte sich neben mich, nahm mich fest in die Arme und küsste meine Schläfe. Seine Hand fuhr beruhigend durch meine Locken, und er schmunzelte. »Natürlich will ich das. Glaub mir. Nur soll der Zeitpunkt der richtige sein. Meine Familie ist nicht ganz einfach«, gab er zu. »Aber sie werden dich lieben, so, wie ich dich liebe.« Er gab mir einen kleinen Kuss auf die Stirn.
    Ich nickte, immer noch enttäuscht, aber deutlich beruhigter. Mein Blick fiel auf die Uhr. Himmel! »Ich muss zum Desert Spring«, sagte ich und begann, eilig meine Sachen zusammenzusuchen.
    »Wie schade. Ich hatte gehofft, du würdest bei mir bleiben.«
    »Ich komme zurück. Aber ich muss meiner Tante sagen, wo ich bin, sonst macht sie sich Sorgen. Oder hast du ein Telefon? Dann rufe ich schnell bei ihr an.«
    »Leider nicht.«
    »Dachte ich mir.« Ich zwinkerte ihm zu. Rin gab mir einen langen prickelnden Abschiedskuss und verschwand im Bad.
    Ich blieb einige Sekunden reglos sitzen und genoss dasheiße Kribbeln meiner Lippen, ehe ich weiter meine Sachen zusammensuchte. Ich vermisste einen Schuh, den ich unter dem Bett vermutete. Seufzend wollte ich mich gerade auf alle viere begeben, um nachzusehen, als ich ein merkwürdiges Scheppern aus der Küche vernahm. Rin konnte das nicht sein. Der stand unter der Dusche. Kurz entschlossen ging ich zur Küchentür und spähte durch den Spalt.
    Eine dunkelhaarige Frau bediente sich freimütig in Rins Speisekammer. Sie stand mit dem Rücken zu mir. Wahrscheinlich war sie durch das offene Fenster eingedrungen. Gierig nahm sie eine Schüssel aus dem oberen Regal, tauchte ihre Hand hinein und leckte sich eine, mir inzwischen nur zu vertraute, braune Paste von den Fingern. Was für eine dreiste Diebin!
    »Wer sind Sie?«, fragte ich, als ich schließlich die Küche betrat.
    Die Frau erschrak derart, dass sie die Tonschüssel fallen ließ, die am Boden in tausend Teile zerbrach. Ängstlich wich sie vor mir zurück, bis sie mit dem Rücken gegen die Wand stieß. Sie war schlank, geradezu drahtig. Dicke Venen schlängelten sich über ihre nackten Unterarme. Sie trug ein ledernes, locker geschnürtes Oberteil und einen Rock aus Tierfell, unter dem sich kräftige Schenkel abzeichneten. Farbige Federn steckten in den zerzausten wilden Haaren. Eine von ihnen war feuerrot.
    »Was tun Sie hier?«, wiederholte ich barscher als beabsichtigt und machte einen Schritt auf sie zu. Da stieß sie ein animalisches Grollen aus, das an das Knurren eines Raubtiers erinnerte. Und Blitze zuckten in ihren pechschwarzen Augen. Trotz ihrer Drohgebärdenschrumpfte sie vor mir zusammen, nahm eine geduckte Haltung ein, wie eine Katze, die Gefahr witterte.
    »Keine Angst.« Ich war mir nicht sicher, ob sie mich verstand. Vorsichtig öffnete ich die Hände, um ihr zu zeigen, dass ich friedliche Absichten hegte. Aber diese Geste missverstand sie gründlich.
    Sie biss die Zähne zusammen, stürzte sich mit einem Kriegsschrei auf mich und riss mich zu Boden. Ich war so perplex, dass ich mich nicht wehren, nicht einmal zur Seite springen konnte. Stattdessen schlug ich mit dem Hinterkopf auf die harten Fliesen. Ein stechender Schmerz breitete sich in meinem Schädel aus. Sekundenlang konnte ich nichts sehen, nichts fühlen. Dann spürte ich ihr Gewicht auf mir. Als mein Blick wieder klarer wurde, erkannte ich eine Tonscherbe, die gefährlich vor meinem Gesicht kreiste.
    »Nein!«, schrie ich und schlug ihr das spitze Ding aus der Hand, bevor sie es in die Nähe meiner Halsschlagader bringen konnte. Diese Irre wollte mich tatsächlich umbringen! Ich versuchte, sie von mir herunterzustoßen, aber sie griff nach meinen Handgelenken und drückte mich zu Boden. Verdammt, war die kräftig, dabei sah sie gar nicht danach aus.
    Mit einem lauten Knall sprang die Tür auf, und Rin stand, mit einem Handtuch um die Hüften gewickelt, in der Küche. Ich sah das Entsetzen in seinem Gesicht. Seine dunklen Augen waren geweitet.
    Als die Frau ihn bemerkte, ließ sie von mir ab und stellte sich schützend vor ihn, die Arme zu beiden Seiten ausgestreckt, als wollte sie mir den Weg zu ihm versperren. »Po’ra’iti! Antvaris!«, zischte sie und zeigte ihre strahlend weißen Zähne.
    »Nev! Es besteht keine Gefahr, mi Solera. Jorani es Jaknura.« Er schob sie zur Seite, hockte sich neben

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