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Schattenreiter

Schattenreiter

Titel: Schattenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Nikolai
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Körper reagierte völlig unnatürlich, wenn ich nur an ihn dachte. So etwas hatte ich noch nie für jemanden empfunden. Das würde ich mir nicht kaputtmachen lassen.
    »Ich bin nicht gekommen, um dir Vorwürfe zu machen. Im Gegenteil. Ich bin hier, weil ich mir Sorgen um dich mache«, sagte Roy. Ich war überrascht, hatte ich doch angenommen, es ginge ihm um Rin und dessen Sicherheit, die er durch mich gefährdet sah. Schließlich waren die beiden Männer befreundet. Zum ersten Mal, seit er das Café betreten hatte, wirkte sein Gesicht annähernd freundlich.
    »Um mich? Das brauchen Sie nicht.«
    »Ich habe durchgemacht, was ihr durchmachen werdet. Es wird nicht leicht werden. Nicht für ihn und erst recht nicht für dich.«
    Woher wollte er das wissen? Ich schaute ihm tief in seine tiefschwarzen Augen, und in dem Moment ging mir ein Licht auf. Sie sahen aus wie Rins Augen. »Sie sind einer von denen, stimmt’s?«
    Roy wandte den Blick ab, doch sein Körper versteifte sich, und seine Hand spielte nervös mit dem Henkel seiner Tasse.
    Ich wusste, dass ich recht hatte. Aber wie war das möglich? Roy lebte wie ein Mensch. Er hatte einen Souvenirshop, er war verheiratet und Familienvater.
    »Komm mit mir, Jorani. Ich möchte dir etwas zeigen.«
    Roy legte einige Münzen neben seine leere Tasse und stieg vom Hocker. Gemächlichen Schrittes verließ er das Café. Ich folgte ihm zu seinem Haus, das viel schlichter war als die anderen Häuser in dieser Gegend.
    »Hier wohne ich«, sagte er und schloss die Tür auf. »Komm rein.«
    Auch die Einrichtung war einfach, aber passend zum Ambiente. An den Wänden hingen Teppiche. Mit Sicherheit Handarbeiten. Ich entdeckte einen zersplitterten Spiegel über einer alten Kommode.
    »Dad, was machst du denn hier? Ich dachte, du bist im Laden.« Isaac kam eine knarrende Treppe heruntergerannt und blieb überrascht vor mir stehen.
    »Sag mir doch, dass du Besuch mitgebracht hast! Hi, Jorani«, begrüßte er mich und hob die Hand.
    Ich nickte ihm zu.
    Roy legte seinen Hut auf der Kommode ab. »Pete kümmert sich um das Geschäft. Ich möchte jetzt nicht gestört werden.«
    »Okay.« Isaac klang enttäuscht. »Ciao, Jorani. Vielleicht sieht man sich mal wieder?« Und schon war er wieder verschwunden.
    »Komm nur, komm«, sagte Roy und schob mich in ein kleines Zimmer, das er offensichtlich ganz nach seinem Geschmack eingerichtet hatte. Auf dem Boden lagen Felle. Vermutlich Bison. Schnitzereien hingen an den Wänden, Masken aus Holz, die ich aus Rins Hütte kannte.
    Es gab keinen Sessel, keinen Stuhl. Wir nahmen auf den Fellen Platz. Roy setzte sich im Schneidersitz hin. Seine Hand strich über das Fell zu seinen Füßen.
    »Diesen habe ich im Jahre 1579 erlegt«, erklärte erandächtig. Bei diesen Jahreszahlen wurde mir ganz anders. »Es war ein guter Tag und eine gute Jagd.«
    Sein Blick schweifte für einen Moment in die Ferne. Es schien, als durchlebte er ebendiesen Tag noch einmal. Dann wurde er wieder ernst.
    »Ich wurde 187 Jahre vor dem Ausbruch der Blutkriege, wie wir sie nennen, geboren. Das waren andere Zeiten. Im Gegensatz zu vielen Ti’tibrin, die heute nur die Geschichten der Alten kennen, habe ich die Welt gesehen, wie sie war, bevor der Siedler seinen Fuß auf diese Erde setzte. Es war ein reiches Land. Niemand litt Hunger. Bisons gab es im Überfluss, doch man jagte sie nur, wenn man ihr Fleisch oder das Leder benötigte. Aber das alles wurde zerstört. Man raubte uns das Land, unsere Tiere, unsere Würde. Chapman war sein Name. Er führte die Männer an, die aus Europa gekommen waren, um unser Land für sich zu beanspruchen. Ich erinnere mich an den düsteren Tag zurück, als wäre es gestern gewesen. Sie hatten uns mit Handel und dubiosen Verträgen gelockt, unser Vertrauen gewonnen und es schamlos missbraucht. Danach bekämpften sie uns bis aufs Blut. Als wir geschwächt waren, bot uns Chapman Frieden an. Die Verluste auf Seiten der Ti’tibrin waren bereits sehr groß. Fast jede Frau hatte einen Sohn oder eine Tochter verloren. Der Schmerz war unerträglich. Wir hatten längst erkannt, dass unsere Waffen nutzlos gegen ihre waren. Wodank, der damalige Häuptling, sah keine andere Möglichkeit, als auf den Vorschlag Chapmans einzugehen.
    Man traf sich an einem neutralen Ort. Chapman brachte seine Mannen mit und der Häuptling seine stärksten Krieger. ›Es soll Frieden zwischen uns herrschen, wenn ihr uns das Geheimnis eurer Macht verratet‹, sagte er.Der Häuptling

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