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Schattenreiter

Schattenreiter

Titel: Schattenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Nikolai
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ihrer Liebe und Zuneigung waren es schwere Zeiten, denn für die Ti’tibrin E’neya ist die Gemeinschaft das wichtigste Gut und von ihr ausgeschlossen zu werden das schlimmste Urteil, das gefällt werden kann. Es ist schlimmer als der Tod.«
    Er wurde schwermütig. »Ich muss meine Natur verleugnen, meinen Drang nach Freiheit. Eingeschlossen bin ich. In diesem Haus, in diesem Körper. Die Entbehrungen sind manchmal so groß, dass sie meine ganze Kraft kosten.«
    Er strich ein weiteres Mal gedankenverloren über das Bisonfell zu seinen Füßen.
    »Manchmal verachte ich sie.«
    »Cathleen?«
    Er nickte beschämt. »Ich weiß, sie kann nichts für mein Schicksal, und ich liebe sie aus tiefstem Herzen. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich wieder so entscheiden. Dennoch ist in mir auch eine dunkle Kraft, die mit den Jahren stärker geworden ist und mich ängstigt. Manchmal werde ich aggressiv. Der Spiegel im Flur, hast du den gesehen? Ich habe ihn zerschlagen, weil ich diese Existenz nicht ausgehalten habe. Es ist wie ein Anfall, der mich bisweilen überfällt. Der Mann, den du heute vor dir siehst, ist nicht derselbe, der ich einst war. Ich hatte Freude in den Augen, ein Lächeln im Gesicht. Ich sah jung aus, war voller Lebensfreude. Aber mir fehlt das weite Land. Ich versuche, so oft wie möglich mit Larki auszureiten, doch Pflichten erdrücken mich. Und selbst wenn ich auf seinem Rücken sitze, ist es nicht dasselbe Gefühl wie damals, als ich durch die Prärie ritt, die Bäume und Gräser an mir vorbeiziehen ließ und den Wolken folgte.«
    Allmählich verstand ich, warum er mir das alles erzählte. Er fürchtete, Rin würde dasselbe Schicksal erleiden wie er. Genauso abstumpfen.
    »Ich will nicht, dass Rin alles aufgibt.« Ich wusste, wie sehr er seine Freiheit liebte. Die konnte und wollte ich ihm nicht nehmen. In Ketten würde er vergehen wie eine Blume, der niemand Wasser gab.
    »Das wird er tun, wenn er sich für dich entscheidet.« Die Vorstellung schmerzte so sehr, dass sich ein dicker Kloß in meinem Hals bildete.
    »Sie machen sich unnötig Sorgen, Roy«, sagte ich mit erstickter Stimme. »Ich kehre bald nach Berlin zurück. Dann stehe ich Rin nicht mehr im Weg.«
    Ich spürte, wie Tränen in meine Augen traten. Rasch wandte ich den Blick ab, er sollte das nicht sehen. Ich hatte mit dem Gedanken gespielt, mich für ein Studium in den USA zu bewerben, um bei Rin sein zu können. Es hätte bedeutet, meine Familie nur in den Semesterferien zu sehen, aber das hätte ich für ihn in Kauf genommen.
    Nun war alles anders. Mir wurde klar, dass ich ihm schadete. Die Ti’tibrin würden mich nicht dulden, wir konnten nur in meiner Welt zusammen sein. Aber diese Welt war so anders als seine, engte ihn ein. Ich wollte nicht zulassen, dass Rin diesen schmerzhaften Weg ging, den Roy gegangen war.
    Roy sah mich lange und nachdenklich an. »Ist es das, was du willst?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Es ist das Beste.«
    »Wer entscheidet, was das Beste ist? Ich will euch nur warnen, vor dem, was euch bevorsteht, wenn ihr euren Weg fortsetzt. Ihr werdet Kraft und Mut brauchen.«
    Der Besuch bei Roy hatte mich sehr aufgewühlt, und seine Worte hatten mich nachdenklich gestimmt. Ich war froh, als mich Ben Pwayton am Nachmittag abholte. Ich hoffte, in den Bergen auf andere Gedanken zu kommen.
    »Hast du auch nichts vergessen?«, fragte mich Pway, als ich mit meinem Rucksack zu ihm in den Wagen stieg. Ich schnallte mich an und schüttelte den Kopf. Wenn das meine einzige Sorge wäre.
    »Alles okay? Du siehst bedrückt aus«, stellte er fest.
    »Das täuscht. Ich habe nicht besonders gut geschlafen.«
    »Dann ruh dich jetzt auf der Fahrt aus.« Er schaltete das Radio an. »Killing me softly« ertönte aus den Boxen. Wie passend.
    Die Fahrt war insgesamt recht angenehm. Pway nervte mich nicht mit unnötigen Fragen, und mir gelang es tatsächlich, mich ein bisschen zu entspannen. Als Pway schließlich auf einem Campingplatz in der Nähe von Hill City anhielt, fühlte ich mich ausgeruht, hatte neue Kraft getankt. Vor uns parkten drei Wohnwagen, tiefer im Wald entdeckte ich Zelte.
    »Wie sieht es mit den Gebühren aus?«, wollte ich wissen, stieg aus und warf mir den Rucksack über den Rücken.
    »Lass mal, das hab ich bereits erledigt. Ich war gestern schon mal hier.«
    Er lud unsere Sachen aus. Ira und Jack kamen zwischen den Bäumen hervor und winkten uns zu.
    »Da seid ihr ja endlich!« Die beiden hielten Händchen und sahen

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