Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenreiter

Schattenreiter

Titel: Schattenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Nikolai
Vom Netzwerk:
auf einen Faltplan gesetzt, der auf dem Sitz lag. Ich nahm ihn und versuchte, ihn zusammenzulegen, was sich alles andere als einfach gestaltete.
    »Na, dann mal los«, sagte ich, legte die Landkarte auf meinen Schoß und schnallte mich an.
    Isaac startete den Motor, als er jedoch sah, dass ich mit dem Faltplan nicht zurechtkam, nahm er ihn mir ab und hatte ihn im Nu zusammengelegt. »Die Dinger sind kompliziert«, meinte er und fuhr los.
    »Sah aber nicht kompliziert bei dir aus.«
    »Reine Übungssache. Ich habe mir noch mal die Strecke angesehen. Zur Not fahren wir den Touristen hinterher, die wissen genau, wo sie lang müssen.«
    Tatsächlich herrschte heute reger Verkehr auf den Straßen. Es war ein ungewohnter Anblick. Andererseits war ich sonst meistens zu einer Uhrzeit unterwegs, zu der andere bereits schliefen.
    »Ich beneide dich wirklich, Jorani«, sagte Isaac. Ich spürte die Melancholie in seinen Worten.
    »Mich? Wieso denn?«
    »Sie vertrauen dir.« Er steckte sich einen Pfefferminzbonbon in den Mund und bot mir auch einen an. Ich lehnte ab.
    »Du meinst die Ti’tibrin?«
    Er sog die Luft tief in die Lungen, so dass sich sein Brustkorb blähte. Die Luft im Wagen fühlte sich frischer an. »Ja.«
    »Das halte ich für eine gewagte These.«
    »Immerhin hat Hevova dich zur Hand des Himmels mitgenommen. Neben mir wollte sie nicht mal sitzen.«
    »Denkst du, sie hat gemerkt, wer du bist?«
    Isaac zuckte mit den Schultern. Die kleine Bonbondose verschwand in seiner Hosentasche. »Vielleicht. Das könnte zumindest ihre Abneigung erklären. Ichbin die Verkörperung des Verrats, den mein Vater beging.«
    »Aber du fühlst dich mit ihnen verbunden. Hab ich recht?«
    »Vielleicht. Ich weiß es nicht.« Er schaltete das Radio ein, nur um es kurz darauf wieder auszuschalten. »Ich habe immer gespürt, dass ich nicht hierhergehöre, in diese Stadt. Aber ich gehöre auch nicht zu ihnen. Es ist … kompliziert.«
    Er tat mir leid. Wie zerrissen er sich fühlen musste.
    »Entschuldige, ich will dich damit eigentlich gar nicht belasten.«
    »Tust du nicht.«
    Er schaltete das Radio wieder ein. Dieses Mal ließ er es einige Minuten an, ehe er an dem Lautstärkeregler drehte.
    »Ehrlich gesagt, hatte ich nie jemanden, mit dem ich darüber reden konnte. All die Jahre musste ich Dads Geheimnis hüten, durfte es keinem erzählen. Am Anfang war es gar nicht so schwer, aber irgendwann kam ich in das Alter, in dem man sich fragt, woher man kommt, wo die eigenen Wurzeln liegen.«
    Er nahm eine Hand vom Lenkrad und strich über seine Jeans. Ein leises Lachen drang aus seiner Kehle. »Es ist so unglaublich, nicht wahr? Hast du es jemals gesehen?«
    »Wovon sprichst du?« Mein Blick lag auf seinem kräftigen Oberschenkel, dessen Muskeln sich durch den festen Jeansstoff abzeichneten.
    »Wie sie sich verwandeln. Wie aus diesen Beinen die kräftigen Läufe eines Pferdes werden.«
    Das war in der Tat ein unglaubliches Schauspiel.
    »Ja. Ich habe es gesehen«, gab ich zu.
    »Das würde ich gern selbst erleben.« Seine Augen leuchteten förmlich.
    »Hat es dir dein Vater nie gezeigt?«
    »Nein. Das würde zu viele schmerzhafte Erinnerungen hervorrufen.«
    »Verstehe.«
    »Und wie ist es? Ich meine, wie genau …«
    »Ich bin nicht sicher, wie es funktioniert. Sie verschmelzen mit Pferden, aber es sind keine richtigen Pferde.«
    Er schüttelte ungläubig den Kopf.
    »Na ja, sie stammen aus der Erde, bilden sich aus ihr heraus, wie Geister. Sie nennen sie Zorwaya.«
    »Wow. Das klingt magisch.«
    »Ja, ich denke, magisch wäre der richtige Ausdruck.«
    Er drosselte die Geschwindigkeit. »Ich will es auch können«, offenbarte er mir.
    »Du?«
    »Ja, ihr Blut fließt in meinen Adern. Mein Vater kann es, auch wenn er es unterdrückt.«
    »Ich weiß nicht, ob das so einfach geht. Du hast ja auch menschliche Anteile.«
    »Ja … leider.«
    Er biss sich auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf. »Sorry, das wollte ich nicht sagen. Ich meine …«
    »Schon gut, das kränkt mich nicht, falls du das denken solltest. Ich wollte eigentlich nur vermeiden, dass du dir zu große Hoffnungen machst. Wie alt bist du?«
    »Wie bitte?«
    »Wie alt bist du?«
    »Einundzwanzig.«
    »Siehst du, genau das habe ich mir gedacht. Du alterst genauso wie ich. Sie aber werden steinalt. Ihre Körper funktionieren ganz anders als unsere, auch wenn sie uns zum Verwechseln ähnlich sehen.«
    »Ja, ich weiß. Du wirst nicht glauben, wie alt mein Dad ist.« Er lachte

Weitere Kostenlose Bücher