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Schattenreiter

Schattenreiter

Titel: Schattenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Nikolai
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leise. Dann fuhr er sich nachdenklich über das Kinn. »Ich bräuchte jemanden, der mir zeigt, wie es geht. Mein Vater weigert sich beharrlich. Ich habe ihn schon so oft gefragt. Aber er ist stur. Er sagt, ich soll akzeptieren, dass ich ein Mensch bin. Aber das kann ich nicht, denn das bin ich nicht. Nicht nur. Kannst du nicht mit Rin sprechen? Ihn fragen, ob er es mir zeigen kann? Du würdest mir damit sehr helfen, Jorani.«
    Wie hätte ich ihm diesen Wunsch abschlagen sollen? Nach allem, was er für mich getan hatte. »Mal sehen, was ich tun kann.«
    Er strahlte mich unwillkürlich an. »Danke.«
    »Keine Ursache.«
    Ich wünschte wirklich, ich hätte ihm helfen können.
    Zwanzig Minuten später standen wir auf einer Aussichtsplattform vor dem Mount Rushmore. Der Berg war beeindruckend, eine Verbindung aus Natur und menschlicher Kreativität. Ein grauer Fleck in einer grünen Oase. Die Gesichter der Präsidenten waren ausgesprochen plastisch und deutlich größer, als ich erwartet hatte.
    »Washington, Jefferson, Roosevelt und Lincoln«, las ich aus meinem Reiseführer vor. »Wie sie die wohl in den Stein bekommen haben?«
    »Wenn du dich für solche Monumente interessierst, südwestlich von hier steht das Crazy Horse Monumental.«
    Ich hob überrascht die Augenbraue. »Wirklich? Das ist auch in der Nähe?«
    »Wir können hinfahren.«
    Ich nickte. Ja, wieso nicht. Soweit ich wusste, war das Monument noch nicht fertig. Wir verließen die Plattform und gingen zu den Parkplätzen, wo Isaac den Truck abgestellt hatte und man uns Eintrittsgebühren für die Plattform abgeknöpft hatte, die jenseits von Gut und Böse lagen. Wir fuhren los. Rechts und links von uns erhoben sich felsige Hügel und Berge, die dicht mit Bäumen bewachsen waren. Schon von weitem konnte ich Crazy Horse sehen. Der Berg ragte wie eine Insel aus einem grünen Baummeer hervor und war deutlich größer als Mount Rushmore.
    Isaac hielt in einiger Entfernung auf der Straße an, und wir stiegen aus.
    »Wenn er mal fertig ist, wird er auf einem Pferd sitzen«, erklärte er mir. Bis jetzt sah man allerdings nur das Gesicht von Crazy Horse.
    »Sieht schön aus.«
    »Ja, wenn man auf Steine steht.«
    Ich musste lachen. Isaac blickte mich von der Seite an und grinste von einem Ohr bis zum anderen.
    »Ja, wenn man auf Steine steht«, bestätigte ich. »Wann wird das Monument fertig sein?«
    »Das dauert. Sie sind schon eine ganze Weile damit beschäftigt. Die Bauarbeiten haben 1948 begonnen.«
    »Was? Das ist ein Witz, oder?«
    »Nein. Ich meine das ernst. Bisher wurden zehn Millionen Tonnen Granit aus dem Felsen gesprengt.«
    »Wow. Ich bin beeindruckt.«
    »Von zehn Millionen Tonnen Granit?« Er lachte.
    »Nein, von deinem Wissen. Du bist ja ein wandelndes Lexikon.« Ich nahm meinen Prospekt heraus und las alles nach. Isaac hatte völlig recht.
    »Das bringt mein Job mit sich. Wenn Touristen bei uns Souvenirs kaufen, wollen sie meist auch etwas über Rushmore oder Crazy Horse wissen. Ich habe das alles abrufbereit hier drin.« Er tippte mit dem Zeigefinger gegen seine Schläfe.
    »Wollen wir näher an das Monument ran?«
    Ich überlegte einen Moment und schüttelte den Kopf. »Ich habe alles gesehen.« Ich wollte mich gerade umdrehen, als plötzlich ein unheilvoller Schatten über uns hinwegschoss und mir den Prospekt aus den Händen riss. Instinktiv duckte ich mich und zerrte Isaac an seinem T-Shirt mit herunter. Ungewollt landete ich auf ihm. Ich spürte seine Muskeln unter dem T-Shirt. Sie waren hart wie Stein. Wie unangenehm, dass es sich so angenehm anfühlte. Das war ganz und gar nicht das, was ich beabsichtigt hatte! Isaac fing plötzlich zu lachen an. »Keine Angst, das war nur ein Geier«, sagte er.
    Ich blickte auf und entdeckte den Vogel auf einem Ast in der Nähe. Mein Prospekt hatte er noch immer zwischen den Klauen. Der kahle Hals des Tieres ließ keinen Zweifel daran, dass es sich tatsächlich um einen Geier handelte. Etwas Warmes tropfte über meine Schläfe. Ich fuhr mit der Hand darüber und hatte Blut an meinen Fingern.
    »Dieses Mistvieh hat mich angegriffen.« Entrüstet erhob ich mich und suchte in meiner Hosentasche nach einem Taschentuch, das ich auf die Wunde pressen konnte. »Ich dachte, Geier seien Aasfresser.«
    »Normalerweise greifen sie Menschen nicht an. Lassmal sehen.« Isaac nahm mir das Taschentuch ab und untersuchte meine Wunde. »Das ist nur ein kleiner Kratzer«, meinte er. Das war beruhigend. »Soll ich dich nach

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