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Schattenriss

Schattenriss

Titel: Schattenriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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das glänzend gepflegte Blondhaar schimmerte im warmen Licht der Deckenstrahler wie helles Kupfer. Seltsamerweise hatte Verhoeven trotzdem den Eindruck, dass von irgendwoher ein Schatten auf Inger Lieson fiel. Aber das mochte auch an der Aufregung liegen. An der Furcht vor dem, was ihr bevorstand.
    Uns allen, ergänzte Verhoeven im Stillen.
    »Wie fühlen Sie sich heute Morgen?«, erkundigte sich in diesem Augenblick Monika Zierau, die der Bankiersgattin gegenüber saß, und Verhoeven fragte sich, ob er selbst es gewesen war, der die Aufmerksamkeit der Psychologin auf Walther Liesons Frau gelenkt hatte. Etwas an der Art, wie er sie angesehen hatte. Die erfahrene Profilerin trug noch immer denselben Hosenanzug wie am Tag zuvor. Aber sie hatte ihr T-Shirt gewechselt, was wahrscheinlich bedeutete, dass sie irgendwann im Laufe der Nacht in ihrem Hotelzimmer gewesen war. Falls sie überhaupt eins hatte.
    »Glauben Sie, dass Sie einem Gespräch mit dem Entführer gewachsen sein werden?«, fragte sie jetzt.
    Doch Inger Lieson machte den Eindruck, als fühle sie sich schon allein durch die Frage überfordert. »Ich ... Ja, ich denke schon«, stammelte sie. »Wenn ich nicht ... Ich meine, ich weiß natürlich nicht, wie sich ...«
    Sie schluckte krampfhaft und blickte auf ihre sorgfältig manikürten Finger hinunter, die aussahen, als seien sie verknotet.
    »Meiner Meinung nach spricht überhaupt nichts dagegen, dass ich gleich von vorneherein an den Apparat gehe«, schaltete sich Richard Goldstein ein, und Inger Lieson schenkte ihm ein dankbares Lächeln.
    »Denen ist ohnehin klar, dass sämtliche Anschlüsse überwacht werden und dass es hier von Bullen nur so wimmelt«, fügte der Unterhändler hinzu, als er die Zweifel in Monika Zieraus Augen bemerkte. Er hatte sich nicht rasiert und wirkte reichlich übernächtigt. Aber das war wahrscheinlich kein Wunder.
    Verhoeven dachte an die immense Verantwortung, die auf Richard Goldstein ruhte, und automatisch suchte sein Blick das Basecap, das neben dessen Kaffeetasse auf dem Tisch lag und das den studierten Soziologen angeblich an die allgegenwärtige Möglichkeit des Scheiterns erinnerte.
    Ich kann ein ziemliches Arschloch sein. Genau genommen war ich schon während meiner Ausbildung ein verdammt arroganter Hund …
    »Warum hat dieser Teja eigentlich überhaupt angekündigt, wann und bei wem er sich wieder meldet?«, fragte Verhoeven.
    »Darüber habe ich mir auch schon den Kopf zerbrochen«, räumte Goldstein ein. »Aber bislang bin ich noch zu keinem brauchbaren Ergebnis gekommen.«
    Verhoeven nickte. Er fand dieses Eingeständnis irgendwie sympathisch. Auch wenn ihm das Gefühl, dass selbst ein erfahrener Unterhändler wie Goldstein die Situation nicht recht einzuschätzen wusste, zugegebenermaßen nicht gerade behagte.
    Er trank seinen Kaffee aus und schenkte sich nach.
    Inger Lieson blickte ihn fragend an.
    »Alles in Ordnung«, sagte Verhoeven, ohne zu wissen warum. Immerhin hatte die Bankiersgattin vermutlich nur wissen wollen, ob sich noch genügend Kaffee in der Kanne befand.
    Monika Zierau hob ihre Kohlenaugen und sah ihn an.
    Ein Blick, der Verhoeven das unbequeme Gefühl vermittelte, bei einer Sünde ertappt worden zu sein.
    Doch schon im nächsten Augenblick riss das Summen von Goldsteins Beeper ein Loch in die Stille, die über Walther Liesons elegantem Mahagonitisch schwebte, und absorbierte die Aufmerksamkeit sämtlicher Anwesenden wie ein Schwamm.
    Goldstein warf einen kurzen Blick auf die Nachricht, bevor er Verhoeven das Display hinhielt. »Die Lippenleserin hat die Sequenz entziffert, die wir aus der Reflexion auf dem Panzerglas isolieren konnten«, erläuterte er für die anderen. »Das heißt, wenn man so etwas in diesem Zusammenhang überhaupt als entziffern bezeichnen kann. Aber sei’s drum. Das Wort, das der Anführer der Geiselnehmer da gestern in der Bank von sich gegeben hat, lautet MALINA.«
    Verhoeven, der mit dieser Tatsache schon ein paar Sekunden länger vertraut war, nutzte die Gelegenheit, um die Reaktionen der anderen zu beobachten.
    »Scheiße, was soll das nun schon wieder bedeuten?«, stöhnte Jens Büttner über seiner leeren Kaffeetasse. Er war kurz nach Verhoeven erschienen und hatte ganz offenkundig den Auftrag, Goldstein und dessen Handeln zu überwachen.
    »Ist das ein Name?«, fragte Hinnrichs, während Monika Zierau neben ihm nur erstaunt die Augenbrauen hochzog.
    Und selbst Luttmann, der mit seinem Laptop an einem Nebentisch

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