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Schattenriss

Schattenriss

Titel: Schattenriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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Angestellten, der so heißt oder genannt wird?«
    Die Frage war rein rhetorisch, denn die Personalliste der Sparkassenfiliale befand sich ganz zuoberst in Goldsteins Informationsmappe.
    »Wie ich schon sagte, nein.«
    »Sie sprechen vom Schalterpersonal ...?«
    »Ich spreche vom gesamten Personal.«
    »Wirklich?« Goldstein zog die Augenbrauen hoch. »Und was ist mit dem Putztrupp? Oder mit Stammkunden? Sie wissen schon, Leute, die regelmäßig und möglicherweise sogar immer zur selben Zeit kommen. Oder Techniker, die irgendetwas warten. Zum Beispiel dieses Geldzähldings.«
    »Keiner, der Malina hieße«, entgegnete Lieson, aber er klang nicht mehr ganz so sicher wie zuvor.
    Woher auch, dachte Verhoeven. Selbst wenn dieser Mann tatsächlich sämtliche Vor- und Nachnamen seiner Mitarbeiter und Stammkunden aus dem Stegreif wüsste – es gibt Kosenamen, Spitznamen, Falschnamen ...
    »Schade«, sagte Goldstein.
    »Warum fragen Sie das?« Walther Liesons Stimme flimmerte geradezu vor zwingender Nachdrücklichkeit. Offenbar war der Banker entschlossen, sich dieses Mal nicht so einfach abspeisen zu lassen.
    Goldstein spürte es und beschloss zu antworten. »Wir haben Grund zu der Annahme, dass die Geiselnehmer in der Filiale nach einer Person dieses Namens gefragt oder einen der Anwesenden entsprechend angesprochen haben.«
    Walther Lieson schwieg einige Augenblicke. »Es tut mir leid, aber ich habe wirklich nicht die geringste Ahnung, wer damit gemeint gewesen sein könnte«, wiederholte er dann, allerdings weit weniger angriffslustig als zuvor.
    »Tja, nicht zu ändern«, versetzte Goldstein ohne Freundlichkeit. »Aber falls Ihnen doch noch etwas einfallen sollte, lassen Sie’s uns wissen, okay?« Er bedeutete Luttmann, die Verbindung zu unterbrechen, bevor der Banker noch irgendetwas hinzufügen konnte. »Malina«, murmelte er mit grüblerischer Miene. »Was mag das zu bedeuten haben?«
    Jens Büttner nahm einen Schluck von seinem Kaffee. »Ist das eigentlich ein Männer- oder ein Frauenname?«
    »Ich würde sagen, das kommt ganz darauf an, ob man es als Vor- oder als Nachname deutet«, entgegnete Monika Zierau. Die Psychologin hatte die Arme vor der Brust verschränkt und wirkte genauso lässig wie am Tag zuvor. Und Verhoeven überlegte, ob es wohl an eben dieser arroganten Lässigkeit liegen mochte, dass er sich in Monika Zieraus Gegenwart so entsetzlich unwohl fühlte. Oder ob da doch noch etwas anderes war. Eine Antipathie, deren Grund sich ihm bislang noch nicht erschlossen hatte.
    Goldstein wollte zuerst selbst gehen, aber Monika hat ihn umgestimmt ...
    »Wobei ich sagen muss, dass ich persönlich den Namen nur aus dem Buch von Ingeborg Bachmann kenne«, riss die leise und durchaus sehr angenehme Stimme der Psychologin Verhoeven aus seinen Gedanken. »Und dort ist Malina ein Mann.« Sie zögerte, bevor sie hinzufügte: »Zumindest vordergründig.«
    »Was zur Hölle meinst du mit vordergründig?«, fragte Goldstein.
    »Die Figur des Malina ist in Bachmanns Roman zugleich so etwas wie das zweite Ich der Erzählerin.«
    »Komm mir bloß nicht mit Literaturwissenschaft«, stöhnte Goldstein. »Da muss was anderes dahinterstecken.«
    Monika Zierau hob ihre knochigen Schultern, und Verhoeven glaubte einen Hauch von Verachtung in den schwarzen Kohlenaugen auszumachen.
    Vordergründig ist Malina ein Mann, dachte er, während abermals die Gesichter der drei Geiseln aus dem hinteren Teil der Filiale vor seinem inneren Auge aufblitzten. Evelyn Gorlow, Jenna Gercke und Iris Kuhn. Aber was hieß denn schon vordergründig?
    Drei Frauen.
    Und ein Banker, der angeblich keine Ahnung hatte.
    Mir ist keine Person namens Malina bekannt .
    Verhoeven tastete nach seinem Nacken, von dem aus sich ein leiser Kopfschmerz ankündigte. In einem berühmten Roman von Ingeborg Bachmann ist Malina das zweite Ich der Erzählerin, resümierte er, und etwas an diesem Gedanken elektrisierte ihn.
    Ein zweites Ich.
    Eine doppelte Identität.
    Alter Ego ...
    Er hob den Kopf. »Könnte es sich bei diesem Wort nicht vielleicht um so etwas wie einen Decknamen handeln?«, schlug er vor. »Oder ein Anagramm?«
    »Möglich ist alles.« Goldstein stemmte sich aus dem Sessel hoch und sammelte seinen Beeper wieder ein. Dann griff er sich einen Kugelschreiber und kritzelte den strittigen Begriff in Großbuchstaben auf den Aktendeckel seiner Informationsmappe, als müsse er sich auf diese Weise veranschaulichen, worum es hier ging.
    MALINA ...
    Goldsteins

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