Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenriss

Schattenriss

Titel: Schattenriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
Vom Netzwerk:
süffisanten Schmunzeln, das ihr, wie Verhoeven fand, nicht stand. »Sie hat ihre jetzige Wohnung vor rund zehn Jahren bezogen«, gab sie ihrem Boss zur Antwort. »Und seither haben die Nachbarn noch nie so etwas wie einen Freund oder auch nur einen Bekannten bei ihr ausgemacht, wenn es das ist, was du wissen willst.«
    »Vielleicht steht sie auf Frauen«, schlug Hinnrichs vor.
    Luttmann tauschte einen Blick mit Monika Zierau. »Daran haben wir auch gedacht«, räumte er ein. »Aber Fehlanzeige. Evelyn Gorlows Sozialkontakte beschränken sich auf Schachgucken und das wöchentliche Treffen der Weight Watchers.«
    »Was, zur Hölle, meinst du mit Schach gucken ?«, fragte Goldstein entgeistert.
    Monika Zierau, die zweifellos mit dieser Frage gerechnet hatte, lächelte. »Frau Gorlow sucht regelmäßig die einschlägigen Vereinsheime oder bei schönem Wetter auch diese Mega-Schachbretter in den umliegenden Parks heim und beobachtet fremde Leute beim Schachspielen.«
    Hinnrichs, der dem Vernehmen nach nicht nur ein ausgezeichneter Tennisspieler, sondern darüber hinaus auch Segler und Hobbygolfer war, schüttelte ungläubig den Kopf. »Und sie schaut tatsächlich nur zu?«
    Die Psychologin nickte. »Sie schaut zu, und alle, die sie dabei beobachten, behaupten, dass man an ihrem Gesicht die nächsten drei bis vier Züge beider Gegner ablesen könne, was dafür spricht, dass sie selbst eine brillante Spielerin ist.«
    »Aber sie spielt nicht?«
    »Nein, sie spielt nicht.«
    »So was ist mir unbegreiflich«, sagte Goldstein.
    Monika Zierau zuckte ihre knochigen Schultern. »Manchen Menschen genügt die Beobachtung.«
    »Vielleicht hat sie Angst, dass sie verliert, wenn sie selbst spielt«, mutmaßte Hinnrichs, der sich mit einer derart banalen Erklärung ganz offenbar nicht so einfach zufriedengeben wollte.
    »Vielleicht ist sie auch einfach eine klassische Voyeurin«, konterte Goldstein. »Eine, der es Spaß macht, ihre Mitmenschen aus zuspähen.«
    »Alle, mit denen sich die Kollegen unterhalten haben, beschreiben Evelyn Gorlow übrigens als extrem unauffällig«, ergänzte Luttmann, wie um Goldsteins These zu untermauern. »Ein Zeuge hat gesagt, sie sei wie eines von diesen Insekten, die mit ihrer Umgebung verschmelzen, bis man komplett vergessen hat, dass sie überhaupt existieren, während sie selbst alles, was um sie herum vorgeht, mit größter Aufmerksamkeit verfolgen. Das fand ich ein ganz gutes Bild.«
    »Dann müsste sie von Rechts wegen ja eigentlich Kaufhausdetektivin oder so was in der Richtung sein, statt Krankenschwester«, spottete Hinnrichs.
    Verhoeven stutzte. Etwas an dieser Assoziation gab ihm zu denken. Und da war auch noch etwas anderes. Irgendetwas, das Monika Zierau gesagt hatte. Seine Augen suchten das Gesicht der Profilerin, die konzentriert in ihren Aufzeichnungen blätterte.
    Doch er kam nicht dazu, den Gedanken weiterzuverfolgen, denn im selben Moment begann auf dem Tisch zwischen ihnen das kabellose Telefon der Liesons zu läuten.
    Der Ton war nicht einmal besonders laut, aber er durchfuhr die Anwesenden wie ein elektrischer Schlag.
    Die Uhr über dem Kamin zeigte 11 Uhr 34.
    Luttmanns ausgestreckte Hand verharrte über seinem Mobiltelefon, fast so, als habe eine unsichtbare Fee einen Bann über den jungen Informatiker gesprochen. Büttner und Hinnrichs hingegen richteten sich nahezu synchron in ihren Sesseln auf, während auf der anderen Seite des Tisches Richard Goldstein für den Bruchteil einer Sekunde in sich zusammenzusinken schien. Ein Umstand, der das diffuse Unbehagen, das Verhoeven empfand, noch steigerte. Er blickte zu Inger Lieson hinüber, die noch eine Spur bleicher geworden war und in einer hilflosen Geste die Hände vors Gesicht hob, als könne sie auf diese Weise das, was nun kommen würde, von sich fernhalten.
    »Okay, es geht los.« Goldstein blickte sich nach den beiden Kommunikationstechnikern um, die in einer anderen Ecke von Walther Liesons Wohnzimmer Position bezogen hatten. »Was ist? Seid ihr so weit?«
    Der ältere der beiden Angesprochenen nickte. »Alles bereit.« »Na dann«, sagte Goldstein. Seine Adleraugen streiften Verhoeven, als er das Telefon ans Ohr hob. »Auf in den Kampf.«
     
     
     

3
     
    Winnie Heller stolperte hinter dem jüngsten der Geiselnehmer her, der mit einer Taschenlampe voranging. Eigentlich hatte sie erwartet, dass er sie in denselben Raum führen würde, aus dem sie seinen Komplizen hatte kommen sehen. Gestern Abend.
    Doch stattdessen

Weitere Kostenlose Bücher