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Schattenriss

Schattenriss

Titel: Schattenriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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der Lehne seines Stuhls, verließ wortlos den Raum und fuhr los.
     
     
     

6
     
    »Vielleicht stehen sie bereits draußen vor der Tür und überlegen, wie und wo man einen Sturmangriff ansetzen könnte.«
    Winnie Heller sah, wie Jenna neben ihr für einen kurzen Moment die Luft wegblieb. Und selbst Evelyn, die mit jeder Stunde, die verging, tiefer in einen Zustand teilnahmsloser Apathie versank, öffnete träge ein Auge.
    Horst Abresch schien überrascht über die Aufmerksamkeit, die seine Bemerkung ausgelöst hatte, und senkte eilig den Blick auf den staubigen Boden vor seinen Füßen, in den Quentin Jahn mit einem Nagel ein schiefes Schachbrett gezeichnet und dieses anschließend mit improvisierten Figuren aus verschieden übereinandergelegten Steinen bestückt hatte. Inzwischen spielten er und der stellvertretende Filialleiter schon eine ganze Weile, und beide schienen heilfroh, etwas gefunden zu haben, das ihnen die Zeit vertrieb. Hin und wieder hatten sie ein paar Worte gesprochen. Banalitäten zumeist. Oder etwas, das einen Bezug zu ihrem Spiel hatte. Doch dann hatte Quentin Jahn plötzlich eine Bemerkung über den mutmaßlichen Stand der Ermittlungen gemacht, und Abresch hatte die Sache mit dem Stürmen wieder auf den Tisch gebracht.
    »Aber das geht doch nicht!«, rief Jenna entsetzt. »Bei so etwas könnte leicht jemand zu Tode kommen!«
    »Glaubst du ernsthaft, da fragen die nach?«, spottete Evelyn, die jetzt wieder ein wenig wacher wirkte. »Ich meine, irgendwie müssen die uns ja schließlich hier rausholen, oder nicht?«
    »Doch ja, natürlich.« Die blonde Bankangestellte zerrte an ihren Haaren, die bereits völlig verfilzt aussahen. Ihre Hochsteckfrisur hatte sie mittlerweile komplett aufgegeben, genauso wie die Bemühungen, wenigstens ein paar spärliche Reste ihres Make-ups zu retten. Das Ergebnis war ein Gesicht, das vollkommen verändert aussah. Und auch jetzt rieb sich die blonde Bankangestellte ungeniert die Augen wie ein übermüdetes Kleinkind. »Sie werden uns rausholen, indem sie bezahlen.«
    »Na sicher doch«, gluckste Evelyn.
    »Nicht?«
    »Ach, Herzchen ...« Die korpulente Krankenschwester ließ ihre Schweinsäuglein gegen die Decke wandern. »Was glaubst du denn, wie viel die da oben für Leute wie uns lockermachen?«
    »Sie werden die geforderte Summe bezahlen, ganz egal, wie hoch sie ist«, versuchte Quentin, die Sache wieder ein paar Grad herunterzukochen. »Machen Sie sich darüber keine Sorgen.«
    »Aber Sie wissen doch gar nicht, worauf diese Männer überhaupt aus sind«, wandte Abresch neben ihm ein. »Vielleicht fordern sie gar kein Geld, sondern verfolgen irgendein obskures politisches Ziel.«
    Jennas nichtssagende blaue Augen wanderten zum Rand der Grube hinauf. »Sie meinen, das sind Terroristen?«, fragte sie mit einer Mischung aus Schrecken und Faszination.
    »So sehen sie nun wirklich nicht aus«, konstatierte Quentin trocken.
    Evelyn warf ihm einen durchaus amüsierten Blick zu. »Ach nee? Und wie sieht man aus, als Terrorist? Langbärtig, ausgezehrt und mit so ’nem verdammten Kameltreiberumhang um die Schultern?« Aus ihrer Kehle kollerte ein tiefes, gutturales Lachen. »Na, Sie machen mir vielleicht Spaß!«
    »Aber wenn diese Männer nur hinter Geld her wären«, überlegte Abresch. »Wozu brauchen sie dann die Matratze?«
    Die Augen der Anwesenden wandten sich dem hellblauen Polster zu, auf dem Jussuf Mousa in einen unruhigen, von gelegentlichen Anfällen akuter Luftnot unterbrochenen Schlaf gefallen war.
    »Vielleicht wollen diese Leute richtig viel Geld«, schlug Jenna piepsstimmig vor. »Und vielleicht wussten sie von vornherein, dass in der Filiale eine Summe, wie sie ihnen vorschwebt, nicht in bar vorhanden ist. Also haben sie beschlossen, Geiseln zu nehmen.«
    » Eine Geisel«, sagte Abresch leise.
    »Was?«
    Der stellvertretende Filialleiter schob seine Manschetten zurück. »Da sie nur eine Matratze hingelegt haben, hatten sie vermutlich auch nicht vor, mehr als eine Geisel zu nehmen, oder?«
    »Damit die es dann so richtig schön bequem hat?«, höhnte Evelyn. »Gott, das nenne ich nobel!«
    »Vielleicht wollten sie die Matratze für sich selbst«, erprobte Jenna die nächste Theorie. »Das hier war vielleicht als Versteck gedacht und ...«
    »Vergessen Sie’s«, entgegnete Quentin. »Die haben ihr Lager oben aufgeschlagen. Und außerdem sind sie zu viert.«
    »Aber für irgendwen war das Ding doch mit Sicherheit bestimmt, oder?« Abresch blickte

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