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Schattenriss

Schattenriss

Titel: Schattenriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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Töne schnappen nach ihm wie scharfe Krallen, und er fühlt, wie seine Wirbelsäule zu kribbeln beginnt. Auf und ab, als ob eine Armee von Ameisen seinen Rücken rauf und runter liefe. Aber er will unbedingt sehen, was in dem Päckchen ist.
    Als er nur noch ein paar Schritte vom Tisch entfernt ist, sieht er Anitas Augen. Sie sehen komisch aus, ganz weiß und wie weit weg, aber als sie ihn bemerkt, sind sie auf einen Schlag wieder blau und da.
    »Nein«, sagte sie leise. »Nicht!«
    Justin spürt instinktiv, dass sie ihn meint. Aber er hat nicht die geringste Ahnung, was sie von ihm will. Und als sie um den Tisch herumkommt und ihn auf den Arm nimmt, fängt er an zu schreien.
    »Um Gottes willen, nein!«, flüstert Anitas Stimme in seinem Ohr, während sich eine ihrer Riesenhände über seine Augen legt, wie eine von diesen Bleischürzen, die er vom Röntgen kennt. »Sieh da nicht hin! Hörst du? Du darfst da auf keinen Fall hinschauen!«
     
     
     

5
     
    »Eine Frauenhand?« Richard Goldstein blickte stur geradeaus, während er dem Bericht der beiden Streifenpolizisten lauschte, die als Erste im Smålland von IKEA Wallau eingetroffen waren, um den makabren Gruß der Entführer in Empfang zu nehmen. Er telefonierte von seinem Handy aus und stand zudem mit dem Rücken zu den übrigen Anwesenden an der Terrassentür, ein Umstand, den insbesondere Werner Brennicke mit sichtlichem Argwohn quittierte.
    Glaub bloß nicht, dass du mir auf diese Weise entkommst, mein Freund , blitzten die kühlen grünen Augen des BKA-Mannes . Sobald du dieses Gespräch beendet hast, mache ich Hackfleisch aus dir!
    Goldstein nicke und tastete wieder nach seinem Nacken, als könne er dort die Blicke der anderen spüren wie unsichtbare Berührungen. »Und obenauf befand sich eine Karte mit meinem Namen?«
    Pause.
    Dann: »Gut, tun Sie das. Wie lange wird das ungefähr dauern?«
    Abermals Pause.
    »Verdammt noch mal, ich habe doch gar nicht behauptet, dass Sie ...« Der Unterhändler fuhr sich mit der freien Hand durch die Haare, und jede Faser seines Körpers verriet, dass er kurz vor einer Explosion stand. Aber er schien sich anders zu besinnen. Vielleicht, weil Brennicke anwesend war. Vielleicht auch, weil er aufgrund seines Jobs daran gewöhnt war, Telefonate zu führen, die nicht unbedingt etwas Gutes verhießen. »Na schön, wenn das so ist, ist das so«, sagte er nach einer Weile in beinahe resigniertem Ton. »Aber halten Sie mich unbedingt auf dem Laufenden.« Er beendete das Gespräch und wählte eine andere Nummer. »Sie haben ja wahrscheinlich schon gehört, was wir hier für Probleme haben«, sagte er, nachdem Hubert Jüssen sich gemeldet hatte. »Ja, genau ... Und deshalb benötigen wir so schnell wie möglich genetisches Material aller weiblichen Geiseln für einen Abgleich.«
    Verhoeven fühlte, wie sein Herzschlag aussetzte.
    »Ich sagte so schnell wie möglich«, murrte Goldstein. »Und wie Sie das anstellen, ist mir vollkommen wurscht. Aber ... Nein, zur Hölle, es ist mir nicht entgangen, dass der Junge nur ein paar Häuser von hier entfernt wohnt. Und nein, ich halte das auch nicht für einen Zufall. Aber wir müssen Prioritäten setzen und ...«
    Werner Brennicke verzog die Lippen zu einem süffisanten Lächeln, nachdem der Koordinator der Background-Ermittlungen den Unterhändler ganz offenbar zum zweiten Mal unterbrochen hatte.
    »Ja, von mir aus, dann tun Sie das«, knurrte Goldstein »Und stellen Sie auch ein paar Leute ab, die sich um die Herkunft des Verpackungsmaterials kümmern. Schachtel, Karte, Tesafilm, die Visitenkarte, einfach alles, das uns irgendeinen Anhaltspunkt liefern könnte.« Er drückte abermals auf die Taste mit dem roten Hörer, bevor Hubert Jüssen Gelegenheit zu einer Entgegnung hatte, und kehrte dann mit schweren Schritten an Walther Liesons Couchtisch zurück. »Dieser elende Scheißkerl spielt Spielchen mit uns.«
    Monika Zierau schüttelte den Kopf. »Er spielt keine Spielchen«, sagte sie. »Er hat dir gerade den Beweis dafür geliefert, dass du dich in ihm getäuscht hast.«
    »Wir haben unsere Hundeführer kreuz und quer durch diese Schrebergärten gehetzt«, hielt Goldstein seiner Profilerin entgegen, indem er sich in einen der Sessel fallen ließ. »Da war nicht der geringste Hinweis darauf, dass er tatsächlich getötet hat.«
    »Er muss es ja nicht dort getan haben«, konterte Monika Zierau. »Aber er will dich wissen lassen, dass er im Zweifelsfall Ernst macht.«
    »Noch haben wir

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