Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenriss

Schattenriss

Titel: Schattenriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
Vom Netzwerk:
erfüllt.
    Als er merkte, dass Ylva Bennet ihn ansah, hob er den Kopf. »Sie müssen vergessen, um zu überleben«, sagte sie leise. »Wer nicht vergessen kann, kommt um.«
     
     
     

10
     
    Schräg gegenüber der allgemeinmedizinischen Praxis von Dr. med. Elmar Kreuzberg zog Oskar Bredeney fröstelnd die Schultern hoch. Er trug an diesem Abend ausnahmsweise eine flaschengrüne Trainingsjacke zu seinen Jeans und darüber in Anbetracht der stetig fallenden Temperaturen eine gefütterte Steppweste im gleichen Ton. Auf seinen Knien lag eine betagte Canon, die wertvoll aussah.
    »Frühling«, murrte er. »Wenn das so weitergeht, müssen die armen Kinder ihre Ostereier im Schnee suchen.«
    Stefan Werneuchen nickte und reichte seinem Kollegen einen Keramikbecher. »Hier, halt den fest.«
    Bredeney legte die Kamera beiseite und tat, wie ihm geheißen. »Was ist das?«, fragte er, als Werneuchen die mitgebrachte Thermoskanne aufschraubte und eine bernsteinfarbene Flüssigkeit in den Becher rinnen ließ.
    »Karamelltee.«
    »Karamelltee?« Bredeney schnüffelte angeekelt an dem Getränk. »Warum hast du keinen Kaffee gemacht?«
    »Kaffee ist ...«
    »Vergiss es.« Der Veteran des KK 11 verzog sein pockennarbiges Gesicht und kippte dann mit Todesverachtung die Hälfte seines Tees in einem Zug hinunter.
    »Der ist doch noch viel zu heiß«, rief Werneuchen entsetzt. Oskar Bredeney warf ihm einen vernichtenden Blick zu. »Okay, okay«, sagte Werneuchen. »Willst du einen Muffin da zu?« »Normal oder Bio?«
    Stefan Werneuchen verdrehte die Augen. »Bio ist auch normal.«
    »Es ist kalt, und die Nacht wird lang«, versetzte Bredeney. »Da will ich Raffinadezucker und Industrieschokolade.«
    »Kannst du haben«, grinste Werneuchen und angelte eine Bäckereitüte unter dem Fahrersitz hervor.
    »Gott«, sagte Bredeney. »Meine letzte Überwachung war ...« Er biss in seinen Muffin, während er zurückdachte. Aber er schien zu keinem Ergebnis zu kommen.
    Sie saßen jetzt seit rund vier Stunden im Wagen, der unauffällig zwischen ein paar anderen Fahrzeugen am Straßenrand abgestellt war. Und inzwischen kam ihnen auch die langsam, aber sicher hereinbrechende Nacht zu Hilfe, die sich wie ein dunkles Tuch zwischen die Ein- und Zweifamilienhäuser der reinen Wohngegend legte.
    »Dass einer von denen hier auftaucht, ist so wahrscheinlich wie ein Sechser im Lotto«, knurrte Bredeney, nachdem er die Rechnerei wieder aufgegeben hatte.
    »Es ist eine Möglichkeit«, widersprach ihm Werneuchen. »Es ist bestenfalls ein Strohhalm«, konterte Bredeney.
    »Ich finde es trotzdem unverantwortlich, dass der Doktor so
    gar nicht eingeweiht wird«, sagte Werneuchen.
    »In was sollten wir ihn denn bitte einweihen?«, schnappte Bredeney. »Alles, was wir hier treiben, basiert auf Wenns und Wenns und noch mal Wenns und einem Haufen Abers. Ganz abgesehen davon, dass es ganz und gar inoffiziell ist.«
    Werneuchen hob beschwichtigend die Hand. »Schon gut, weiß ich ja.«
    »Wenn dieser Teja oder Maik oder wer immer es ist, tatsächlich so was wie ein Gewissen hätte«, führte Bredeney fort. »Und wenn es ihm tatsächlich auf das Leben von einer einzelnen seiner sechs Geiseln ankäme ...«
    »Warte!«, fiel Werneuchen dem altgedienten Kollegen ins Wort. »Sieh dir das mal an! Da hinten!«
    So träge und abgelenkt Oskar Bredeney auch wirken mochte, wenn es darauf ankam, war er da. Er brauchte exakt vier Sekunden, um seinen verbliebenen Tee hinunterzustürzen, den Becher in den Fond des Wagens zu werfen und bis in die letzte Faser seines Körpers gestrafft über seine Schulter zu blicken. »Scheiße, du hast recht. Das könnte er sein.«
    Der Wagen, den sie meinten, näherte sich im Schritttempo. Vorne rechts war der Scheinwerfer kaputt, sodass das Fahrzeug dort nur über das gewöhnliche Standlicht verfügte.
    Werneuchens Augen fixierten den Rückspiegel. »Es ist ein Passat. Dunkelgrün metallic, soweit ich das in diesem Licht beurteilen kann.«
    »Kannst du das Kennzeichen erkennen?«
    Werneuchen kniff die Augen zusammen. »WB-XJ und dann die 322 ... Nein, 327.«
    Bredeney gab die Daten über Funk an die Zentrale weiter. »Was ist mit den Insassen? Siehst du die?«
    »Nein. Die Scheiben spiegeln noch zu sehr.«
    »Das Kennzeichen, das Sie interessiert, ist vergeben«, meldete eine angenehm tiefe Frauenstimme aus der Zentrale. »Allerdings nicht für einen Passat, sondern für einen Nissan. Wir überprüfen die Daten des Halters.«
    Bredeney tauschte

Weitere Kostenlose Bücher