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Schattenriss

Schattenriss

Titel: Schattenriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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Maik Voigt und seinem Umfeld?«
    Der junge Kriminaltechniker sah geschafft aus. Sein frischer Jungenteint hatte sichtlich an Farbe verloren und unter seinen Augen lagen tiefe Ringe. »Noch immer nicht viel Brauchbares«, antwortete er. »Wir wissen, dass Maik Voigt nicht sofort nach seiner Geburt ins Ernst-Thälmann-Heim verbracht wurde, sondern erst ein paar Monate später. Wo er in der Zwischenzeit gewesen ist, geht aus den Akten leider nicht hervor. Er wuchs heran und fiel im Alter von dreizehn Jahren zum ersten Mal unangenehm auf.« Luttmanns schlanke Hand wedelte wegwerfend durch die mittlerweile zum Schneiden stickige Wohnzimmerluft. »Da war nichts Schlimmes dabei, irgendwelche harmlosen Streiche. Mit fünfzehn ging es dann allerdings richtig los, und Maik ließ sich dummerweise dabei erwischen, wie er unter den Jungs im Heim selbstgezeichnete Honecker-Karikaturen verteilte.«
    Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, dachte Verhoeven, indem er sich Ylva Bennets verblasstes Gesicht ins Gedächtnis rief. Auch sie hatte sich aufgelehnt und heimlich Pamphlete gedruckt, irgendwann, bevor sie durch sechzehn Jahre Zwangspsychiatrie zu einem Schatten ihrer selbst geworden war. Auch sie ...
    »Mit von der Partie war damals übrigens Maiks bester Freund«, fuhr Luttmann fort. »Andreas Barth. Die beiden waren seit Kindertagen sozusagen unzertrennlich. Beide intelligent und idealistisch, allerdings auch nicht gerade pflegeleicht. Und mit dieser Honecker-Geschichte hatten sie ihre Aussichten auf den Besuch einer weiterführenden Schule oder gar ein Studium im Grunde schon so gut wie verwirkt. Doch zu beider Rettung kam ein Jahr später die Wende.« Der junge Softwarespezialist rieb sich die Augen, bis sie knallrot waren. »Sie beendeten die Schule, Maik verpflichtete sich für sechs Jahre beim Bund und Andreas machte eine Lehre als Maschinenschlosser. Irgendwann stellten sie dann wohl fest, dass sie mit ihrem Leben nicht so richtig zufrieden sind, und beschlossen, sich selbständig zu machen.«
    »Als was?«, fragte Hinnrichs.
    Luttmann sah nach. »Sie übernahmen eine Großhandlung für Garten- und Spielgeräte, aber die Firma machte innerhalb von drei Jahren pleite, und die beiden waren wieder genau da, wo sie vorher auch schon waren.«
    »Und dann?«
    »Gelegenheitsjobs«, entgegnete der junge Familienvater mit einem neuerlichen Blick in das Dossier, das irgendwelche fleißigen Kollegen in aller Eile zusammengestellt hatten. »Es folgten immer wieder Phasen von Arbeitslosigkeit. Dann mal ein paar Monate als Aushilfe auf dem Bau. Und so weiter und so fort.«
    Hinnrichs nickte. »Und haben Sie inzwischen auch herausgefunden, wo die beiden heute sind?«
    »Offiziell bewohnt Maik Voigt eine kleine Wohnung im Magdeburger Bezirk Neue Neustadt«, erklärte Luttmann, »aber da macht niemand auf, und die Nachbarn wollen ihn schon monatelang nicht mehr gesehen haben.«
    »Natürlich macht niemand auf«, knurrte Goldstein, auf dessen Hemd die Salamipizza zwei dicke Fettflecken hinterlassen hatte. Verhoeven dachte an das blütenweiße Hemd, das Werner Brennicke getragen hatte, und überlegte, was ihm unsympathischer war. Der leicht derangierte Eindruck des Unterhändlers, der ihm Angst machte. Oder die glatte, berechnende Kühle eines Werner Brennicke. »Schließlich ist der Kerl hier.«
    »Das wissen wir nicht mit Bestimmtheit«, wandte Luttmann ein.
    Doch Goldstein überging ihn einfach. »Die Magdeburger Kollegen sollen sich die Wohnung vornehmen«, rief er. »Vielleicht ist dort etwas, das uns weiterhilft.«
    »Und wie wollen Sie eine solche Aktion rechtfertigen, falls Sie sich irren?«, fragte Hubert Jüssen, der vor einer halben Stunde zu ihnen gestoßen war.
    Goldstein sah ihn an. »Ich rechtfertige mich grundsätzlich nicht.«
    »Das ist eins deiner Probleme«, bemerkte Monika Zierau spitz.
    Der erfahrene Unterhändler stand auf und machte ein paar Schritte auf sie zu. Es war eine an und für sich völlig harmlose und doch irgendwie drohende Geste. Fast so als ob Goldstein seine Profilerin am Kragen packen und eigenhändig vor die Tür setzen wolle. Aber als er Monika Zierau fast erreicht hatte, drehte er ab und angelte sich die Fotos von Maik Voigt und Andreas aus dem Drucker neben Luttmanns Laptop. Es handelte sich um zwei ältere Aufnahmen der beiden Freunde, doch die Qualität war durchaus akzeptabel.
    Vielleicht brauchen sie diese Art von Reibung, dachte Verhoeven, indem er sich in Erinnerung rief, wie offensichtlich

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