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Schattenriss

Schattenriss

Titel: Schattenriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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»Ich regle hier alles für Sie.« »Danke.«
    Sie schlängelten sich zwischen den Wagen durch.
    »Ich habe Wasser im Auto«, sagte Verhoeven. »Sie sind doch sicher durstig.«
    »Nein«, antwortete Winnie Heller. »Im Augenblick bin ich gar nichts.«
    »Gratuliere, gratuliere«, rief Werner Brennicke ihnen von weitem zu. Bei ihm stand eine Frau, die wie eine Stylistin aussah. Wahrscheinlich hatte der BKA-Mann vor, schnellstmöglich vor die versammelte Presse zu treten, die hinter der Sperrzone Position bezogen hatte. »Das ist ja noch mal glimpflich ausgegangen.«
    »Du uns auch«, murmelte Verhoeven, und aus den Augenwinkeln heraus glaubte er ein leises Lächeln auf dem Gesicht seiner Partnerin auszumachen.
    »Ich für mein Teil gratuliere Ihnen lieber nicht«, sagte eine Stimme hinter ihnen, und als Verhoeven den Kopf wandte, sah er Goldstein an der Wand der mobilen Einsatzzentrale lehnen. Er hielt sein Basecap in der Hand und hatte seine Reisetasche neben sich auf dem Boden stehen. »Aber Sie haben sich tapfer geschlagen.«
    Verhoeven nahm Goldsteins ausgestreckte Hand, und dieses Mal war es nicht Pfefferminz, was er roch.
    »Das also ist Frau Heller«, sagte der Unterhändler, der erst gar nicht versuchte, irgendetwas zu verbergen. »Freut mich.« Winnie Heller nickte. »Ganz meinerseits.«
    »Wir sind auf dem Weg in die Klinik«, sagte Verhoeven, der
    plötzlich das Gefühl hatte, etwas erklären zu müssen.
    »Sicher doch«, antwortete Goldstein. »Ich drücke die Daumen.« »Ich Ihnen auch«, sagte Verhoeven, ohne lange nachzudenken. Und er meinte es genau so.
     
     
     

16
     
    In der Intensivmedizinischen Abteilung der Mainzer Universitätsklinik verstaute Winnie Heller ihre Handtasche in einem der in reichlicher Anzahl vorhandenen Spinde und schlüpfte anschließend in den ungebügelten weißen Operationskittel, den der Pfleger, der sie eingelassen hatte, ihr hinhielt. Dann entnahm sie dem Spender neben der Tür einen Schwall Desinfektionsmittel und folgte dem Mann einen langen, steril riechenden Flur entlang bis zu einem Raum ganz am Ende des Ganges. Verhoeven hatte darauf verzichtet, sie zu begleiten, und sich bereits an der Tür von ihr verabschiedet.
    »Rufen Sie mich an, wenn Ihnen danach ist«, hatte er noch gesagt. »Ganz egal, wie spät es ist.«
    Winnie Heller erinnerte sich nicht mehr an ihre Reaktion, aber das war vielleicht im Augenblick auch nicht so wichtig. Während links und rechts von ihr Türen vorbeiglitten, dachte sie an ihre Schwester, die nach ihrem schweren Autounfall auf genau dieser Station gelegen haben musste und die nie wieder aufgewacht war. Und am liebsten hätte sie sofort die Flucht ergriffen. Doch sie hielt durch und betrat hinter dem Pfleger ein Zimmer, in dem drei Betten standen. Das mittlere war leer. Am Fenster hielt ein bleicher Mann um die siebzig die Hand einer um einiges jüngeren Frau, die gerade aus der Narkose zu erwachen schien. Helle Paravents zwischen den Betten sorgten für einen Hauch von Privatsphäre. Dennoch hätte sich Winnie Heller in diesem Augenblick nichts sehnlicher gewünscht, als allein zu sein. Mit sich und dem Mann, den sie erst vor wenigen Tagen so energisch aus ihrem Leben zu vertreiben versucht hatte und um den sie nun eine derart große Angst verspürte, dass es ihr schier den Atem nahm.
    Die Luft um sie herum war wie elektrisiert vom Piepsen zahlloser Maschinen. Blutdruckmesser, Infusionspumpen, lebenserhaltende Geräte, und das Erste, was Winnie Heller dachte, als sie neben das Bett trat, war, dass Lübke zart aussah. Ein Wort, das zu keinem Menschen weniger zu passen schien als zu dem massigen Spurensicherer mit den hansalbersblauen Augen. Und doch: Die Gestalt unter den weißen Laken wirkte so zerbrechlich, dass Winnies Herz sich schmerzvoll zusammenzog.
    Sie ließ sich auf dem Stuhl nieder, den der freundliche Pfleger ihr in der Zwischenzeit hingestellt hatte, und griff nach Lübkes Hand. Zu ihrer Überraschung war sie warm, ein Umstand, der sie mit einem Gefühl vorsichtiger Erleichterung erfüllte. Ihr Blick wanderte zu der Blutdruckkurve auf dem Monitor neben dem Bett, wo eine unstete grüne Linie Lübkes Lebensfunktionen dokumentierte.
    »Hey«, flüsterte sie, und ihre Stimme wollte ihr kaum gehorchen, »ich bin’s, Winnie.«
    Lübke reagierte nicht.
    »Ich wäre schon früher gekommen, aber ich wurde noch kurz aufgehalten, weißt du.« Sie lachte. Zumindest versuchte sie es. »Aber jetzt bin ich da und ... Hey, Lübke! Du

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