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Schattenriss

Schattenriss

Titel: Schattenriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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Sie mich fragen, ist es einer von den Kämpfen, bei denen es nicht den geringsten Spaß macht, wenn man gewinnt.«
    Winnie Heller fuhr herum und blickte geradewegs in ein Paar Augen, die von demselben wundervollen Veilchenblau waren wie die von Liz Taylor. »Marie?«
    Die Angesprochene lächelte. »Ich hab immer gewusst, dass man diesen Kerl keine fünf Minuten allein lassen kann«, seufzte sie mit sorgsam gedämpfter Stimme, und unwillkürlich musste Winnie Heller an ihre erste Begegnung mit Lübkes alter Freundin denken. Damals hatte Marie ihr mitten in der Nacht die Tür zu Lübkes Laube geöffnet und dabei lediglich ein hauchdünnes Negligé über ihrem knallroten BH und einem Paar wuchtiger Männershorts getragen. Ein Umstand, der Winnie Heller noch heute mit einem Gefühl der Eifersucht erfüllte, auch wenn Lübke seither mehrfach und unaufgefordert betont hatte, dass zwischen ihnen lediglich eine gute Freundschaft bestehe.
    »Na, wie auch immer«, erklärte Marie unterdessen, »ich wollte mich nur kurz vergewissern, dass Jupp keinen Blödsinn macht. Aber wie ich sehe, ist er in guten Händen.« Sie nestelte eine Flasche Multivitaminsaft aus ihrer ledernen Umhängetasche und stellte diese in Ermangelung eines Nachtschränkchens kurzerhand auf den Boden neben Lübkes Bett. »Blumen erlauben diese Idioten ja hier drinnen nicht, auch wenn ich beim besten Willen nicht einsehe, was an Blütenduft gefährlich sein sollte. Aber bitte sehr ...« Die ehemalige Prostituierte, die ihren Rubenskörper an diesem Tag in ein elegantes meergrünes Samtkleid und eine farblich darauf abgestimmte Strickjacke gehüllt hatte, verdrehte ihre Veilchenaugen.
    Dann schickte sie sich an, zu gehen. Doch Winnie Heller hielt sie zurück. »Bitte«, sagte sie. »Bleiben Sie doch noch ein bisschen.«
    »Nein«, entgegnete die Frau, die sie nur als Marie kannte. »Warum nicht?«
    »Weil das hier ...« Die rundlichen Arme öffneten sich zu einer
    weltumfassenden Geste, »eine Sache zwischen Ihnen beiden ist.« Winnie Heller wollte protestieren, aber sie brachte von einem
    Augenblick auf den anderen keinen Laut über die Lippen. Eine Sache zwischen Ihnen beiden ...
    »Rufen Sie mich an, wenn er auf Station verlegt wird?« Marie war bereits an der Tür. Aber bei ihr trug auch das Flüstern. Winnie versuchte ein Nicken. »Mach ich.«
    »Gut.« Die Veilchenaugen zwinkerten fröhlich und gaben ihr das beruhigende Gefühl, dass es gut ausgehen würde, dieses Mal. »Dann bis bald.«
    »Ja«, sagte Winnie Heller. »Bis bald.«
     
     
     

17
     
    Es war nach elf, als Verhoeven endlich zu Hause war. Silvie erwartete ihn bereits in der Diele. »Ich hab’s im Radio gehört«, sagte sie und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Bist du okay?«
    Er zuckte mit den Achseln. »Wir haben einen Menschen erschießen müssen.«
    Sie nickte. »Ich weiß.«
    »Es wird schon werden.«
    »Und Lübke?«, wechselte sie eilig das Thema.
    »Du weißt doch, wie die Ärzte sind. Bevor sie sich nicht zweihundertprozentig sicher sind, tun sie den Teufel, sich festzulegen.« »Lübke ist zäh«, entgegnete Silvie, und Verhoeven dachte daran, wie viele Leute in den vergangenen Tagen genau dasselbe über Winnie Heller gesagt hatten. Und sie hatten Recht behalten. Vielleicht war das ja so was wie ein gutes Omen ... »Tja«, sagte er. »Unkraut vergeht nicht.«
    »Warst du schon bei ihm?«
    »Nein, ich ...« Er zögerte. »Ich dachte, ich lasse Winnie erst mal mit ihm allein.«
    »Die beiden mögen sich sehr, nicht wahr?«
    »Wie kommst du darauf?«
    Seine Frau antwortete mit einer Gegenfrage: »Erinnerst du dich noch, wie sie im letzten Jahr hier waren, um beim Teich zu helfen? Damals ...« Sie runzelte ihre hohe, schön geschwungene Stirn. »Damals habe ich etwas empfunden. Etwas, das die beiden verbindet, verstehst du? Aber ich weiß noch nicht genau, was es ist.«
    Vielleicht weiß Winnie das selbst noch nicht, dachte Verhoeven. Er ging ins Wohnzimmer hinüber, ließ sich auf die Couch fallen und streckte die Beine von sich. Da war ein Gefühl von Leere in ihm. Wie ein schwarzes Loch, das immer mehr um sich griff und alles verschluckte, was ihm zu nahe kam. Und Verhoeven wusste, wenn er sich dieser Leere hingab, würde es noch viel schwieriger werden.
    Seine Frau blickte ihn unschlüssig an. »Ich könnte ... Wenn du willst, wecke ich Nina. Du weißt ja, sie ist sowieso nur mit Mühe ins Bett zu kriegen, so ganz ohne Gutenachtkuss von dir, und sie würde sich bestimmt

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