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Schattenriss

Schattenriss

Titel: Schattenriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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in der Hand hielt und seinem Vorgesetzten irgendetwas Unverständliches ins Ohr flüsterte.
    Brennicke hörte sich schweigend an, was sein Lakai zu sagen hatte. »Es tut mir entsetzlich leid, aber ich fürchte, ich muss mich entschuldigen«, sagte er, als Büttner zu Ende war, und die übertriebene Freundlichkeit in seiner Stimme ließ Verhoeven aufhorchen. »Ich habe ein dringendes Telefongespräch zu führen.«
    Wie zur Unterstreichung seiner Worte reichte Büttner ihm ein zusammengefaltetes Blatt Papier, wobei die Miene des jungen Kriminalbeamten deutlich machte, dass es sich bei dem Gesprächspartner seines Bosses mindestens um den Innenminister handelte.
    »Sehen Sie sich ruhig noch ein wenig um«, rief Brennicke im Weggehen, und nichts an diesem Satz klang auch nur im Entferntesten gönnerhaft. »Und wenn Sie fertig sind, fahren Sie zurück ins Präsidium. Ich treffe Sie dann dort.«
    Sprach’s und verschwand mit eiligen Schritten Richtung Ausgang.
    »Sympathisch«, knurrte Jensen, als er außer Hörweite war.
    Hinnrichs klappte den Kragen seiner Jacke hoch. »Bleibt nur zu hoffen, dass ihn der Ministerpräsident eine Weile mit Beschlag belegt.«
    »Der oder die Presse«, entgegnete Jensen mit einem müden Lächeln. Dann wandte er den Kopf zum Eingang der Filiale, wo neue Stimmen laut geworden waren.
    Verhoeven erkannte Dr. Isabelle Gutzkow, die zuständige Pathologin, die ein paar Worte mit den Beamten bei der Tür wechselte. Gerade zeigte einer der Uniformierten in seine Richtung, woraufhin die Gerichtsmedizinerin ihren Einsatzkoffer, den sie zwischenzeitlich auf dem grauen Marmor abgestellt hatte, an sich riss und quer durch die Schalterhalle auf sie zugesteuert kam.
    »Ick hab’s eben erst jehört«, sagte sie, indem sie eine ihrer kleinen und bemerkenswert zartgliedrigen Hände aus der Tasche ihres Tweedjacketts riss und Verhoeven sacht am Arm berührte. »Wenn ick irjentwat tun kann ...« Sie ließ den Satz offen und blickte ihn aus ihren ruhigen grauen Wissenschaftleraugen an.
    Unwillkürlich musste Verhoeven daran denken, wie die Pathologin in einem robusten blauen Overall in seinem Garten gestanden und einem schwitzenden und fluchenden Lübke Anweisungen in Bezug auf Flachwasserzonen und die korrekte Verlegung von Teichfolie gegeben hatte, nachdem er selbst an seinem ebenso ehrgeizigen wie kühnen Teichbau-Projekt zu scheitern drohte. Glücklicherweise hatte Winnie Heller sein Unvermögen gerade noch rechtzeitig erkannt und eine Art kollegiales Rettungspaket organisiert, mit dessen Hilfe Nina schließlich doch noch zu ihrem heiß ersehnten Fischteich gekommen und Verhoeven eine handwerkliche Totalblamage erspart geblieben war.
    »Im Augenblick wissen wir leider noch gar nichts«, erklärte er, und Dr. Gutzkow, der diese Tatsache ganz offensichtlich nicht neu war, nickte stumm vor sich hin.
    »Die Kleene is verdammt zäh«, bemerkte sie nach einer Weile, und es klang, als spräche sie zu sich selbst. »Die wird sich schon durchzubeißen wissen.«
    »Natürlich wird sie das«, sagte nun auch Hinnrichs mit ungewohnt fahler Stimme. »Verlassen Sie sich drauf.«
     
     
     

9
     
    In einer Art pervertiertem Gänsemarsch hatten sie ein Gebäude betreten, irgendetwas, das Winnie Hellers Erwartung gemäß kalt und verlassen war. Jeweils zwei Geiseln waren von einem der Männer geführt worden, geradeaus zunächst, dann ein paar Stufen hinunter, um eine Ecke, wieder ein Stück geradeaus und schließlich eine wacklige Eisentreppe hinab, die unter dem Gewicht ihrer Körper bedenklich ins Schwanken geraten war.
    Nun standen sie, Seite an Seite, mit dem Rücken zu einer Wand, deren klamme Kühle Winnie Heller selbst durch den Stoff ihrer Fleecejacke spüren konnte.
    Als ob sie uns für ein Erschießungskommando aufgereiht hätten, dachte sie schaudernd.
    Sie konnte die Anwesenheit ihrer Mitgefangenen beinahe körperlich fühlen, auch wenn längst niemand von ihnen mehr wagte, einen Laut von sich zu geben. Nicht einmal die Dicke mit dem Trolley. Alle schienen wie gebannt vor Angst.
    »Willkommen, meine Herrschaften, in Ihrem neuen Domizil«, sagte der Mann, dem Winnie Heller insgeheim den Namen »Alpha« gegeben hatte.
    Ja, dachte sie, du mich auch!
    »Es tut mir aufrichtig leid, dass wir Sie bitten mussten, uns an diesen wenig erbaulichen Ort zu begleiten«, fuhr Alpha mit ins Fleisch schneidender Ironie fort, »aber wenn Sie sich ruhig verhalten, wird Ihnen nichts geschehen.«
    Er ist intelligent, konstatierte

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