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Schattenriss

Schattenriss

Titel: Schattenriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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weiß, was er gesagt hat, dachte Winnie Heller. Er hat gesagt: Wenn Sie Widerstand leisten, werden Sie erschossen. Und nach allem, was ich bislang mitbekommen habe, sehe ich keinen Grund, an seinen Worten zu zweifeln ...
     
     
     
    12
     
    Monika Zierau riss den Blick von Winnie Hellers Passfoto los und ließ ihre Kohleaugen ein Stück tiefer gleiten, wo vier weitere Fotografien hingen.
    »Iris Kuhn, Horst Abresch und Jenna Gercke«, erläuterte Luttmann von oben nach unten. »Die beiden Erstgenannten sind fest in der überfallenen Filiale angestellt, Frau Kuhn als Kassiererin, Herr Abresch als stellvertretender Filialleiter. Frau Gercke hingegen arbeitet normalerweise in der Hauptsparkasse. Sie hielt sich nur deshalb in der Geschäftsstelle auf, weil sie diese Woche eine erkrankte Kollegin vertritt.«
    Jemand sagte: »Pech gehabt.«
    Ein anderer: »So kann’s gehen.«
    »Das vierte Bild stammt aus dem Personalausweis der Kundin, die zum Zeitpunkt des Überfalls vor Frau Heller am rechten der drei hinteren Schalter stand.« Nach ein paar kurzen Eingaben erschien das genannte Dokument auf Luttmanns Monitor. »Evelyn Gorlow, siebenundfünfzig Jahre alt, ledig«, las er von den beiden Digitalaufnahmen der Vorder- und Rückseite ab, die die Kollegen vom Kriminallabor überspielt hatten. »Die Frau wohnt ganz in der Nähe der Filiale, in der Geisbergerstraße. Eins achtundsechzig groß, braune Augen, braune Haare.«
    Wie schnell so was geht, dachte Verhoeven bei sich. Kaum entführt, und schon flimmern deine Daten über ein halbes Dutzend Monitore.
    Evelyn Gorlow, siebenundfünfzig, eins achtundsechzig groß und ledig. Albert Schweh, beliebt und schuldenfrei, Besitzer eines komplett abbezahlten Einfamilienhauses in Erbenheim.
    Verhoeven sah wieder das Foto seiner Partnerin an und fragte sich, welche Informationen über sie in der Datenbank der Dienststelle verzeichnet sein mochten. Oder über ihn selbst. Verhoeven, Hendrik. Achtunddreißig Jahre alt, verheiratet, eine Tochter. Derzeitige Besoldungsgruppe A 12. Und sonst?, überlegte er. Was sonst? Auf wie viel hat der Staat, der uns bezahlt, ein Recht? Und was gehört mir, mir ganz allein? Spielt es für die Qualität meiner Arbeit irgendeine Rolle, dass ich irgendwann in meinem Leben einen Hund haben möchte? Dass ich im Privatleben einen Skoda fahre, mich mit meinen Schwiegereltern nur bedingt verstehe, klassische Musik liebe und nicht pokern kann? Wie viel von all dem gehört zu meiner so genannten Persönlichkeit? Und was sind Zufälligkeiten, Lebensumstände, Dinge, die sich irgendwann irgendwie ergeben haben?
    Verhoeven verspürte einen Anflug von Ärger, als er merkte, welch tiefe Ratlosigkeit diese Fragen in ihm hinterließen.
    Auf dem Bildschirm von Luttmanns Laptop waren die Aufnahmen von Evelyn Gorlows Personalausweis unterdessen neuen Bildern gewichen. Der junge Kriminaltechniker legte seine milchzarte Stirn in Falten, während er die eingescannte Aufnahme auswertete. »Die Kollegen haben im Einkaufsroller der Frau auch einen Schwerbehindertenausweis gefunden«, murmelte er. »Ausgestellt vor etwas mehr als acht Jahren aufgrund einer Brustkrebserkrankung. Der Grad der Behinderung beträgt achtzig Prozent. Keine Merkzeichen.«
    »Das bedeutet, dass die Ärmste nicht mal auf ’nem verdammten Behindertenparkplatz parken darf«, bemerkte ein schnauzbärtiger Beamter in Zivil.
    »Das Einzige, was sie kriegt, sind zwei BHs pro Jahr«, nickte seine Kollegin, die ihm gegenübersaß.
    »Wenn überhaupt«, entgegnete der Schnauzbart.
    Ihr Vorgesetzter, ein rundlicher Mittvierziger, brachte die beiden mit einem vernichtenden Blick zum Schweigen, während Luttmann bereits den nächsten Befehl in die Tastatur seines Laptops gehämmert hatte.
    Über den Bildschirm rauschten nun wieder die Bilder aus den Überwachungskameras, abermals im Schnelldurchlauf. Doch irgendwann gebot der junge Computerspezialist dem hektischflimmernden Datenfluss mit einem entschlossenen Tastendruck Einhalt, und auf der gegenüberliegenden Wand erschien die Silhouette eines der Geiselnehmer. Der Mann war nur von hinten zu sehen und überdies halb verdeckt von etwas, das Verhoeven nicht näher einordnen konnte, aber dem jungen Kriminaltechniker schien es ohnehin um etwas anderes zu gehen.
    »Leider befinden sich unter den Geiseln noch zwei männliche Personen, die wir bislang nicht identifizieren konnten«, erläuterte Luttmann, ohne seinen Blick vom Bildschirm zu wenden. »Und zwar handelt es

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