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Schattenriss

Schattenriss

Titel: Schattenriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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sich dabei um den Mann dort hinten ...« Die Ausschnitte, die der Beamer an die Wand warf, verengten sich und kreisten auf diese Weise ein fremdländisch anmutendes Gesicht ein. »Und ...« Luttmanns Finger flogen aufs Neue über die Tasten. »Ja, genau ... Und dann noch dieser Kerl hier.«
    Ich würde ihn kaum einen Kerl nennen, dachte Verhoeven und betrachtete ein interessantes, puristisch wirkendes Männergesicht, das ihn entfernt an irgendeinen Schauspieler erinnerte. Ein berühmter Charakterdarsteller, aber er kam nicht auf den Namen.
    »Mit dem kann ich vielleicht dienen«, meldete sich ein dunkelhaariger Beamter in Zivil zu Wort, der zu einem Zeitpunkt, der Verhoevens Aufmerksamkeit entgangen war, an einem der zahlreichen Computer an der hinteren Wand Platz genommen haben musste. »In der Zentrale ist vor wenigen Minuten der Anruf einer Frau eingegangen, die ihren Chef vermisst. Sie arbeitet in dem kleinen Zeitschriftenladen, der schräg gegenüber liegt.«
    »Gegenüber der Filiale?«, hakte Hinnrichs nach, und auch Verhoeven erinnerte sich plötzlich, auf der anderen Straßenseite ein Schaufenster und das klassische Hinweisschild einer Lottoannahmestelle gesehen zu haben.
    Der angesprochene Beamte nickte und überflog die Informationen, die ihm sein Rechner anbot. »Die Zeugin war zum Zeitpunkt des Überfalls schon nach Hause gegangen und hat zunächst nur von den Schüssen am Kochbrunnenplatz gehört«, erklärte er, nachdem er einige Augenblicke stumm gelesen hatte. »Erst als eine besorgte Freundin sie anrief, um zu fragen, ob ihr auch nichts passiert sei, erfuhr sie von dem Überfall. Daraufhin hat sie versucht, ihren Chef zu erreichen, weil der jeden Abend kurz vor Schalterschluss zur Bank rübergeht, um die Tageseinnahmen auf das Firmenkonto einzuzahlen. Aber er geht nicht ans Telefon. Weder zu Hause noch auf seinem Handy.«
    Monika Zierau nickte. »Haben wir eine Beschreibung des Mannes?«
    »Nicht viel«, räumte der dunkelhaarige Beamte ein. »Quentin Jahn. Dreiundsechzig Jahre alt. Schlank. Kurzes Haar. Er ist geschieden und wohnt allein in einer Dreizimmerwohnung über seinem Laden.«
    Die Psychologin begutachtete das infolge der Vergrößerung leicht unscharfe Gesicht, das noch immer wie festgefroren an der gegenüberliegenden Wand stand. »Vom Alter und von den Umständen her würde es passen«, konstatierte sie.
    »Ich fahre hin und spreche mit der Angestellten«, erbot sich ein austrainierter Mittdreißiger und verließ den Raum.
    Ein anderer folgte ihm.
    »Und sehen Sie zu, dass Sie ein Foto von diesem Quentin Jahn auftreiben«, rief die Psychologin hinter den beiden her. Dann griff sie nach ihrer Aktentasche und zog einen eselsohrigen Collegeblock mit Spiralbindung heraus. Verhoeven fiel auf, dass sie keinerlei Schmuck trug, nicht einmal eine Armbanduhr.
    »Haben die Kollegen von der Spurensicherung eigentlich auch Frau Hellers Brieftasche gefunden?«, fragte Hinnrichs in die kurze Stille, die dem Aufbruch der beiden Beamten gefolgt war, und an der Farbe seiner Stimme erkannte Verhoeven, dass er alarmiert war.
    Luttmann schüttelte den Kopf. »Nein, nur das Handy.«
    Verdammt noch mal, dachte Verhoeven, dem schlagartig klar wurde, worauf die Frage seines Vorgesetzten abgezielt hatte. Wenn seine Partnerin ihre Papiere bei sich trug, konnten die Entführer sie anhand ihres Dienstausweises als Kriminalbeamtin identifizieren.
    »Wann hat Frau Heller das Büro verlassen?«, fragte Hinnrichs.
    »Keine Ahnung«, musste Verhoeven zugeben. »Ich selbst bin heute schon um drei gegangen. Da war sie noch da.« Er schlug die Beine übereinander und wappnete sich im Geiste bereits gegen Hinnrichs’ empörte Frage, warum einer seiner Beamten es an einem Nachmittag wie diesem gewagt hatte, derart früh nach Hause zu fahren.
    Ich hatte einen Besuch zu machen. Zumindest dachte ich das. Aber ich habe mich geirrt. Es gibt kein Vergessen. Und auch keine Vergebung. Nicht bei so etwas.
    Doch sein Vorgesetzter stellte keine Fragen, sondern hatte – pragmatisch wie immer – bereits sein Handy am Ohr und telefonierte mit Werneuchen. »Frau Heller hat das Büro kurz nach Ihnen verlassen«, verkündete er, nachdem er das Gespräch beendet hatte. »Angeblich hatte sie einen Friseurtermin.«
    Verhoeven dachte an die leuchtend kupferrote Tönung, mit der seine Partnerin ihren Dienst im KK 11 angetreten hatte, und an seine Frau, die selten zum Friseur ging. Wenn sie es allerdings doch einmal tat, dauerte es meist eine

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