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Schattenschmerz

Schattenschmerz

Titel: Schattenschmerz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Gerdts
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Fragmenten von Überschriften verschiedenster Printmedien zusammengesetzt und anschließend kopiert worden waren.
    Tag für Tag werden Kinder, Frauen und Männer durch Minen getötet. Niemand kennt ihre genaue Zahl. Der Schrecken findet nicht in Deutschland statt. Wir haben ihn nach Afghanistan, Kambodscha, dem Irak und vielen anderen unterentwickelten Ländern der Welt exportiert.
    Manche Minen sehen aus wie Kinderspielzeug oder wie Lebensmittelpakete. Andere warten seit Jahren vergraben im Boden auf ihre ahnungslosen Opfer. Es gibt nur wenige Minenräumprojekte. Wozu auch? Kinder und Frauen übernehmen diese Arbeit. Ihr Lohn sind Tod und Verstümmelung. Es gibt Schuldige, und es gibt Namen. Zum Beispiel die Firma
EvG-Technology
, die scheinheilig mit elektronischen Bauteilen wirbt.
EvG-Technology
hat in der Vergangenheit viele blutbesudelte Millionen mit der Produktion von Landminen verdient. Bis heute hat
EvG-Technology
aber keinen Euro in ihre Beseitigung gesteckt. Ihre Produkte fordern täglich Opfer.
     
    Wir, die Mütter und Väter von Paghman, fordern die Vernichtung aller Landminen sowie humanitäre und medizinische Hilfe für die Verstümmelten.
    Es ist uns ernst mit unserem Anliegen. Nicht immer ist der Weg das Ziel.
    Der Anschlag in Bremen war nur eine Warnung. Der lautlose Killer ist mitten unter euch. Er wird weitermachen, wenn
EvG-Technology
nicht endlich zu seiner Verantwortung steht.
    Wer einen Fehler begeht und ihn nicht korrigiert, der begeht einen fatalen zweiten.
     
    Hendrik Mertens legte das Bekennerschreiben zurück auf den Schreibtisch. Erst jetzt kam ihm der Gedanke, dass er seine Fingerabdrücke auf dem Brief hinterlassen hatte. Er fluchte leise. Daran hätte er denken müssen. Aber nun war es zu spät.
    Nervös fuhr er sich mit den Fingern seiner rechten Hand durch die Haare und sah aus dem Fenster seines Büros. Der Attentäter drohte unverhohlen mit einem weiteren Anschlag. Wobei er offenließ, was genau er wollte. Es ging um Landminen und um die Verantwortung von Firmen wie
EvG-Technology
. Die Bremer Firma war Mertens bekannt. Vermutlich sollte das Unternehmen eine größere Summe zahlen. Allerdings stand davon kein Wort in dem Bekennerschreiben.
    Das Ottawa-Abkommen kam Mertens in den Sinn. Es war immer wieder durch die Medien gegangen. Deutschland hatte gemeinsam mit 120 anderen Staaten das Abkommen zur Ächtung und dem Verbot von Landminen unterzeichnet. Wann war das noch gewesen? Er gab den Begriff in eine Suchmaschine ein. Sekunden später wusste Mertens, dass die Unterzeichnung im Jahr 1997 erfolgt war. Im Frühjahr 1999 trat die Regelung dann in Kraft.
    Er versuchte, sich an einen Artikel zu erinnern, den er kürzlich gelesen hatte. Wurden nicht inzwischen weltweit mehr Minen geräumt als neue gelegt? Befand sich die Menschheit nicht auf einem guten Weg? Doch die Attentäter sprachen in ihrem Bekennerschreiben von «verseuchten Gebieten» in der Dritten Welt.
    Plötzlich wusste Hendrik Mertens, was er zu tun hatte. Dies war mehr als ein Erpresserschreiben. Dies war ein Politikum. Und als Journalist und Chef einer Nachrichtenagentur war es seine Aufgabe, den Brief zu veröffentlichen. Seine Redakteure würden recherchieren, was sich hinter dem Begriff ‹Paghman› verbarg, und renommierte Minenexperten befragen. Eine, höchstens zwei Stunden würden sie brauchen, wenn er mehrere Leute auf das Thema ansetzte. Dann, während die ersten Zeilen der Story aus Bremen bereits über die Ticker liefen, würde er die Polizei alarmieren.
    Entschlossen riss Mertens die Tür zu seinem Büro auf und ging in das angrenzende Großraumbüro.
     
    Nur anderthalb Stunden später ging das Bekennerschreiben ungekürzt an Radiostationen, Zeitungen und Fernsehsender. Hendrik Mertens wusste, in nur wenigen Minuten würde ein Sturm über die Bremer Polizei, die Politik und das Unternehmen
EvG-Technology
losbrechen.
    Er atmete einmal tief durch, griff zum Hörer und ließ sich mit dem Polizeipräsidenten verbinden.
    «Herr Tetzlaff ist gerade in einer wichtigen Besprechung», erklärte ihm die Sekretärin freundlich.
    «Tut mir leid, aber Sie müssen ihn ans Telefon holen», insistierte Mertens. «Es ist dringend. Sehr dringend sogar. Es geht um das Park-Attentat.»
    Keine zwei Minuten später meldete sich der Polizeipräsident. Er ließ Mertens berichten, ohne ihn ein einziges Mal zu unterbrechen. Erst als der Chef der Bremer Nachrichtenagentur erwähnte, dass das Schreiben gerade veröffentlicht worden

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