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Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen

Titel: Schattenschwingen Bd. 1 Schattenschwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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worden. Abrupt richtete ich mich auf und hörte Sam frustriert aufschnaufen.
    »Dort drüben«, sagte ich und deutete auf das helle Schimmern, das sich so lange verdichtete, bis es die Gestalt einer Frau annahm. Ihre Züge waren kaum auszumachen und auch nicht klar umrissen. Es war, als würde ich Sams Strahlen als milde Ausgabe sehen, nur dass da eben kein Sam war, sondern einzig sein Strahlen. Die Frauengestalt war reinste Aura.
    Sam hatte sich neben mich gestellt und nahm meine Hand, während ich wie gebannt die fast durchsichtige Frau betrachtete, die zwischen den Bäumen lustwandelte und einen Schweif feinster glitzernder Tautropfen hinter sich herzog. Obgleich sie uns nicht bemerkte, fühlte ich mich doch von ihr berührt. Gleichmut, gepaart mit einer Spur von Melancholie, breitete sich in mir aus, schenkte mir Ruhe und Traurigkeit zugleich. Ich war so froh, dass Sam bei mir war, dass ich mich an ihn lehnen und seine Wärme spüren konnte, während diese Gefühle über mich hinwegzogen wie ein sanfter Regen. Noch eine ganze Weile, nachdem die ätherische Erscheinung die Lichtung hinter sich gelassen hatte, stand ich ergriffen da, als habe man mir ganz unverhofft ein Geschenk gemacht.
    »Das war eine Lichtwandlerin«, flüsterte Sam mir zu, als wäre auch der leiseste Ton nach diesem Erlebnis noch zu laut. »Es sind Schattenschwingen, die ihren Körper in der Menschenwelt verloren haben, es aber trotzdem irgendwie geschafft haben, in die Sphäre zu wechseln.«
    »Warum?«
    »Vielleicht ist es noch nicht an der Zeit für sie zu gehen oder sie lieben die Sphäre einfach zu sehr. Das glaube ich zumindest. Wahrscheinlich, weil ich mir überhaupt nicht mehr vorstellen kann, ohne die Sphäre zu existieren.«
    Das brachte mich zu einer Überlegung, bei der ich sofort klamme Handflächen bekam. »Sam, mir gefällt die Sphäre ja auch ganz gut. Nun ja, zumindest gefällt sie mir deutlich besser, nachdem ich gerade festgestellt habe, dass hier solche wundersamen Wesen leben. Aber willst du denn gar nicht mehr mit mir in meine Welt kommen?«
    Sams Händedruck, der plötzlich fester wurde, verriet mir, dass ich einen wunden Punkt berührt hatte.
    »Kommt dir die Sphäre denn nicht wie das Paradies vor, viel schöner als die Menschenwelt?«
    Eine Gegenfrage anstelle einer Antwort. Es sah so aus, als wenn es uns beiden nicht leichtfallen würde, in der Welt des anderen heimisch zu werden. Ich hatte noch im Ohr, wie Sam mir bei unserem Spaziergang am Strand verraten hatte, dass er sich unserer Welt nie richtig zugehörig fühle, wohingegen er nun mühelos mit der Sphäre verschmolz. Mir hingegen jagte die Sphäre eine gehörige Portion Ehrfurcht ein, als wäre ich eine Nummer zu klein für Grenzen, die aus gleißendem Licht bestanden, und eine Natur, die nicht vom Menschen gezähmt worden war. Ja, die nicht einmal eine Zuflucht vor dem unnatürlich klaren Sternenlicht bot. Wenn ich mich allerdings an Sams Begeisterung und der Erinnerung an die Lichtwandlerin festhielt, würde ich vermutlich gelegentlich gern hierher kommen.
    »Ich finde die Sphäre ziemlich überwältigend, aber eben nicht unbedingt menschengerecht. Ich mag leckeres Essen, Elektrizität und Sofas, auf denen ich mich gemütlich zusammenkugeln kann. Außerdem brauche ich Wege im Dickicht, wo ich doch nicht fliegen kann. Na ja, und gegen Toiletten hätte ich auf die Dauer vermutlich auch nichts einzuwenden.«
    Das waren alles alberne Nebensächlichkeiten, aber sie entlockten Sam zumindest ein leises Lachen. Zuerst stimmte ich mit ein, aber es verging mir relativ schnell, weil mir etwas klar wurde. »Du hast nicht vor, dich wieder offiziell in der Menschenwelt blicken zu lassen, richtig?«
    Sam biss sich auf die Unterlippe. »Ich weiß es, ehrlich gesagt, noch nicht. Es hat sich schon gut angefühlt, wieder einmal drüben zu sein. Aber ich denke auch an den ganzen Ärger, der mir bevorstehen würde, und frage mich, ob es die Sache wert wäre. Meine Schwester Sina ist sicherlich traurig, aber vermutlich auch ganz froh, mich endlich los zu sein. Und dass mein Vater hinter Gittern sitzt, stimmt mich nicht gerade traurig. Wenn ich erst wiederauftauche, lassen sie ihn womöglich frei und das ganze Spiel geht wieder von vorn los. Ich könnte mir gelegentliche Besuche vorstellen, um dich zu sehen, aber mir ein richtiges Leben aufbauen … Das kann ich, glaube ich, nicht.«
    Obwohl die Antwort für mich ein Schlag in die Magengrube war, nickte ich verständnisvoll. Auch

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