Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe - Heitmann, T: Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe

Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe - Heitmann, T: Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe

Titel: Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe - Heitmann, T: Schattenschwingen - Die dunkle Seite der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
Vom Netzwerk:
nicht den leisesten Laut von sich, genau wie das Handy in meiner Hosentasche. Das hatte ich auch nicht anders erwartet. Trotzdem schnappte ich es mir, egal, wie armselig ich mir dabei vorkam. Nur für den Fall der Fälle. Außerdem war es tröstlich, sich an etwas festhalten zu können.
    Mir die müden Augen reibend, ging ich auf die Terrasse und setzte mich auf einen der gusseisernen Gartenstühle. Rezas erste Aktion am Morgen war es für gewöhnlich, die Polster aufzuziehen, sogar bei bewölktem Himmel. Schließlich war der Garten ihr zweites Wohnzimmer, wenn nicht sogar ihr erstes. Doch danach stand mir nicht der Sinn, obwohl der nackte Stuhl ein elendes Gefühl von Verlassenheit hervorrief. So hatte ich mich das letzte Mal als Achtjährige
gefühlt, als mein Vater es verschwitzt hatte, mich vom Flötenunterricht abzuholen. Ich hatte eine gefühlte Ewigkeit auf der schneematschgrauen Straße auf ihn gewartet, bis es meiner Musiklehrerin aufgefallen war. Da hatte sie mich wieder reingeholt und meine Mama angerufen.
    Genau das wollte ich jetzt auch nur allzu gern tun: meine Mama anrufen.
    Nur durfte ich nicht einmal daran denken. Wenn ich Reza erst an der Strippe hatte, würde ich zweifelsohne zu schluchzen anfangen und sie anbetteln, sofort heimzukommen, weil ich mich einsam und allein gelassen fühlte. Das Letzte, was ich allerdings wollte, war, meinen Eltern den hart verdienten Kurzurlaub zu versauen, weil ich nicht in der Lage war, mich allein um meine Probleme zu kümmern. Probleme, die entstanden waren, weil meine Verliebtheit mir den Blick aufs Ganze verschleiert hatte. So verführerisch der Gedanke an die tröstende Stimme meiner Mutter und ihr Talent, die richtigen Worte zu finden, auch war, ich würde mich zusammenreißen und standhaft bleiben. Außerdem musste ich die Leitung freihalten, falls Lena doch noch anrief.
    An meiner linken Hand wärmte sich der Bernsteinring unvermittelt auf. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass er sich, seit Sam mit Nikolai am Nachthimmel verschwunden war, seltsam ruhig angefühlt hatte. Wobei es schon komisch war, einem Ring – und sei es ein Artefakt aus der Sphäre – allen Ernstes Gefühle zuzuschreiben. Der Gedanke, wie perfekt mein Leben in einem Moment gewesen war, nur um im nächsten in Stücke gerissen zu werden, überfiel mich wie ein Schlag in die Magengrube. Als ich eingewilligt hatte, den Ring zu tragen, war es mir damit ernst gewesen. Ich liebte Sam, mehr als ich ertragen konnte. Aber ich hatte mich selbst belogen, indem ich mir eingeredet hatte, unsere Liebe
sei unabhängig von den äußeren Umständen. Nikolais Erscheinen hatte das schon im nächsten Augenblick widerlegt. Die dunkle Seite der Schattenschwingen zeigte sich nicht nur in der für uns unerreichbaren Sphäre, sondern auch am Strand von St. Martin. Vor Menschen, die ich liebte. Für die ich Verantwortung trug. Lena war ein Unglück zugestoßen, weil ich zu blind gewesen war, mir einzugestehen, welche Gefahr von den Schattenschwingen ausging. Weil ich unbedingt mit Sam zusammen sein wollte. Nun aber konnte ich die Wahrheit nicht länger leugnen.
    Als ich Sam bemerkte, der über seinen üblichen Schleichweg in unseren Garten gelangt war, hatte ich mich bereits wieder ganz gut im Griff. Wenn ich meinen gerade gefassten Entschluss durchsetzen wollte, durfte ich keine Schwäche zeigen. Ich sah ihm dabei zu, wie er den Weg durch die Senke, in der unser Garten lag, zu mir hochkam. Obwohl seine Schritte lang und seine Bewegungen so anmutig wie immer waren, erkannte ich schon von Weitem, dass auch er vollkommen erschöpft war. Falls das überhaupt möglich war, sah er sogar noch mitgenommener aus als am Freitagabend. Er brauchte dringend Ruhe, das Leben in zwei Welten fraß ihn allmählich auf.
    »Ich hätte früher da sein sollen. Ich …« Sams Stimme klang rau, als habe er sich in der letzten Nacht heiser geschrien.
    Da ich mich weigerte aufzustehen, ging er vor mir in die Knie und schlang die Arme um mich. Ich starrte ins Leere, ignorierte seinen vertrauten Geruch, seine erhitzte Stirn, die er gegen meine lehnte.
    »Mila …«, setzte er erneut an, bereits unruhig, weil keine Reaktion von mir kam. Aber ich konnte einfach nicht, ich hielt seine Nähe kaum aus. »Wie geht es Lena?«
    »Sie ist im Krankenhaus. Zur Beobachtung.«

    »Denkst du, dass ich ihr helfen kann?«
    Sam ließ bewusst offen, was genau er unter Hilfe verstand – ob er sich ihr erklären oder stattdessen ihre Erinnerung verändern

Weitere Kostenlose Bücher