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Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse

Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse

Titel: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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er ist fort.
    »Möchtest du tanzen?«, fragt mich der Schatten.
    Ich warte darauf, dass endlich Widerwille in mir auflodert, wenn sich schon kein Hass bemerkbar macht. Während ich noch dastehe und auf eine innere Regung hoffe, reagiert mein Körper von allein, als brauchte er meine Zustimmung nicht. Ich drehe mich um die eigene Achse und strecke meine blass-graue Hand aus. »Wenn du es wünschst«, formulieren meine Lippen Worte, die ich nie auszusprechen vorgehabt habe.
    Dann überlasse ich mich der Dunkelheit, die sich in mir auszubreiten beginnt.
    ∞∞
    Was für ein grauenhafter Albtraum!
    Zwar verklang er bereits, aber ich lag immer noch zusammengerollt in meinem Bett, die Decke über den Kopf gezogen, und unterdrückte nach Leibeskräften das Verlangen zu schreien. Nach wie vor gaukelte der Traum mir vor, die Realität unter meiner Bettdecke könnte jeden Moment Risse bekommen, hinter denen sich ein gläserner Käfig am Himmel offenbaren würde. Diese Vorstellung, egal wie abstrus sie war, fühlte sich um vieles realer an als der tickende Wecker auf dem Nachttisch oder die Stimme meiner Mutter, die gerade einen Radiosong mit ihrem Gesang übertönte. Immer wieder aufs Neue zwang der Traum mir seine Bilder auf: das Meer, eine einzige Spiegelung von Sams Augen, unerreichbar für mich; der fehlende Ring an meinem Finger; der Schatten, der auf mich fällt; mein verdammter Körper, der dem Willen eines anderen gehorcht und mich verrät.
    Am schlimmsten war jedoch die Leere, die sich in meinem Inneren ausgebreitet hatte. Als wäre ich, Mila Levander, eine andere. Ein Mädchen in einem blutroten Kleid. Was für ein Kleid war das nur gewesen, das so viel mehr über mich aussagte als jeder Gedanke und jede Gefühlsregung in diesem Traum?
    Das Klingeln meines Handys riss mich aus den Gedanken. Eine SMS war reingekommen. Blind tastete ich nach dem Gerät und zog es unter die Decke.
    Die Nachricht war von Sam.
    Bist du schon wach?
    Nachdenklich starrte ich das Display an und knabberte an meinem Daumennagel. Dann tippte ich ein unverbindliches Nicht wirklich .
    Die Reaktion erfolgte prompt: Du hast schlecht geträumt, nicht wahr?
    Ich warf dem Ring an meiner Hand einen bösen Blick zu. Dieser Verräter hatte Sam also brühwarm mitgeteilt, wie es mir ging. Dabei hatte ich keineswegs vor, ihm von meinem Traum zu erzählen. Nicht bloß, weil ich ihn nicht beunruhigen wollte, sondern weil ich mich auch schämte. Die Willenlosigkeit, mit der ich mich dem Schatten überlassen hatte, steckte mir tief unter der Haut.
    Kann mich nicht erinnern. War’s schön mit den Surfern?
    Ich wartete und wartete, aber dieses Mal ließ Sam sich mit seiner Antwort Zeit. Bestimmt grübelte er darüber, ob er mir die Sache mit der Vergesslichkeit abkaufte.
    Erzähl ich dir, wenn ich dich von der Schule abhole. Heute Nachmittag ist Ebbe.
    Ebbe, ich liebte die Ebbe, weil sie dafür sorgte, dass Surfen unmöglich war. Während dieser Stunden gehörte Sam mir, falls keine anderen Arbeiten an der Surfschule anfielen. Endlich fand ich die Kraft, mich aufzurichten und die Decke von mir zu werfen. Meine Katze Pingpong, die offenbar am Fußende geschlafen hatte, purzelte dabei auf den Boden, noch zu benommen, um sich zu beschweren. Als ich die Arme nach ihr ausstreckte, torkelte sie jedoch aus dem Zimmer. Ups, da war wohl jemand beleidigt.
    Draußen auf dem Flur traf Pingpong direkt auf Rufus.
    »Na, du Brocken. Ist das schon dein Winterfell oder wirst du wirklich immer mopsiger?«, begrüßte er sie, um eine Sekunde später zu schimpfen: »Lass das Gekratze, ich wollte dich doch bloß knuddeln. Mensch, Pingpong, ist ja schon gut!«
    »Ärgere die Katze nicht!« Reza hatte den Nahkampf unten in der Küche ebenfalls mitbekommen. »Hat er dich beleidigt, du süßes Ding? Komm, friss dein Leckerli und hör nicht auf den bösen Rufus, du bist nämlich keinen Tick zu mopsig, sondern perfekt plüschig. Lass dir von dem nichts einreden.«
    Rufus polterte so laut die Treppe runter, dass ich fast aus dem Bett fiel.
    »Du bist echt eine Übermutter. Stopfst die Kugel auf vier Pfoten voll, anstatt mir beim Desinfizieren der Kratzwunden zu helfen. Vielen Dank, ich blute dann mal woanders weiter.«
    Was folgte, war ein Türknall.
    Bei meinem Bruder ging rein gar nichts leise. »Elender Poltergeist«, murmelte ich, allerdings mit einem Schmunzeln, das ich vor wenigen Sekunden noch für unmöglich gehalten hatte. Das war die Welt, wie ich sie haben wollte. Familiär

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