Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse
und nicht denken.
Aber das war unmöglich.
»Samuel«, rief mich eine eindringliche Stimme. »Wir müssen reden.«
Ich kannte nur einen, dem es gelang, einerseits wie die Ruhe in Person zu klingen und zugleich klarzustellen, dass er zum Berserker würde, falls man ihm nicht augenblicklich Folge leistete.
Bevor meine Totstell-Nummer kindisch wurde, öffnete ich die Augen und blickte haarscharf an Asami vorbei, gerade so, als wäre er unsichtbar. Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte ich, dass er sich nicht die Mühe machte, sich wie ein Mensch zu kleiden. Wie auch sonst trug er lediglich eine Leinenhose, während sein langer Zopf über die Schulter hing. Im Obi, den er um seine Taille geschlungen trug, steckte ein Katana, dessen Griff auf mich zeigte.
Ich strich mir die letzten Tropfen aus den Augen und fuhr durch mein Haar, um die Schwere der Nässe abzustreifen. Jede einzelne Bewegung führte ich provozierend langsam aus, dabei wollte ich Asami keineswegs verärgern, ich wollte einfach so tun, als existierte er in meiner Welt nicht. Zumindest versuchte ich, mir das einzureden.
Nur, wenn es mir tatsächlich darum ging, ihn zu ignorieren, warum drehte ich mich dann nicht einfach um und ging meines Weges?
»Das ist lächerlich.« Jeder einzelne Ton drückte Asamis Verachtung aus. »Ich bin nicht hierhergekommen, um mich von einem Kindskopf wie dir mit Missachtung stra-fen zu lassen. Sieh mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede.«
Asami stand nicht mehr als eine Armlänge entfernt, die Hand locker auf dem Griff des Katanas liegend. Seine Miene war so ungerührt wie eh und je, doch in seinen kohlschwarzen Augen glühte ein Feuer. Ob es sich aus meinem Trotz oder der Wiedersehensfreude nährte … das konnte man bei ihm nicht sagen.
»Ich glaube, du hast vergessen, dass du weder mein Wächter noch mein Lehrer bist. Du hast mir nichts zu sagen.«
»Wenn das so ist, dann wundert es mich ehrlich gesagt, dass du mir trotzdem gehorchst. Du sprichst mit mir und du siehst mich an. Genau wie ich es von dir gefordert habe.«
Mit einem Schulterzucken wendete ich mich ab. »Sieh meine Willensschwäche als kleines Zugeständnis an deine Bedürftigkeit, mich herumzukommandieren. Vielleicht tröstet es dich ja darüber hinweg, dass ich jetzt gehen muss. Mila wartet auf mich.«
»Das tut sie nicht. Der Wohnwagen steht leer.«
Ich fuhr herum, und ehe ich mich versah, hatte ich Asami einen Stoß vor die Brust versetzt, was er ohne Gegenwehr geschehen ließ. Dabei streifte mich seine Aura und ich hielt sie im letzten Moment davon ab, sich mit meiner zu verbinden. Diese Art von Begegnung musste ich unbedingt vermeiden, es war ohnehin schon schwierig genug, Asami auf Distanz zu halten.
»Woher weißt du, dass Mila nicht im Wohnwagen ist?«
»Weil ich dort nach dir gesucht habe, aber lediglich ihre Nachricht vorgefunden habe, dass sie zu einer Freundin gegangen ist, die ihres Trostes bedarf.«
Das klang keineswegs abwegig. Bestimmt ging es um Lena, der Rufus Kummer bereitete. Darin war er ja unschlagbar. Der Bernsteinring zumindest verriet mir, dass Mila zwar aufgeregt, aber keineswegs verstört war. Ja, bestimmt war sie bei Lena und damit beschäftigt, ihr eine Freundin zu sein.
Gerade als ich anfing, meine heftige Reaktion zu bereuen, setzte Asami nach: »Selbst wenn dieses Mädchen nicht fortgegangen wäre, könnte man meinen, dass du heute bereits genug Zeit mit ihr verbracht hast. Falls ich die Atmosphäre dieses schäbigen Kastens, in dem du haust, richtig gedeutet habe.« Er schnaufte abfällig durch die Nase. »Nachdem du dich ihrem Willen gebeugt hast, kannst du endlich tun, was du dir so unbedingt gewünscht hast. Und dazu auch noch, so oft du willst. Freut mich für dich.«
»Was ich mache, geht dich nicht das Geringste an. Also spionier mir nicht nach.«
»Das lag gewiss nicht in meiner Absicht, du schätzt deine Bedeutung für mich falsch ein.«
»So, tue ich das? Das glaube ich kaum, bei dir ändert sich schließlich nie etwas.«
Ich hatte mich so dicht vor Asami aufgebaut, dass sich mein zornerfülltes Gesicht auf den Obsidianscheiben seiner Augen spiegelte. Ein absurder Wunsch, ihn zu demütigen, stieg in mir auf.
»Dieses Menschenmädchen hat dir den Kopf verdreht, deshalb verstehst du alles falsch, was ich sage. Du bist nicht länger dein eigener Herr«, sagte er voller Herablassung.
Im nächsten Moment schlang ich meine Arme so fest um Asamis Rücken, dass er nicht nur gefangen war, sondern auch
Weitere Kostenlose Bücher