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Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse

Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse

Titel: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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gesamten Quaders lag.
    »Wahnsinn. Ich wusste gar nicht, dass es euch möglich ist, in unserer Welt eigene Reiche zu schaffen.«
    »Ich würde diese unbedeutende Veränderung der Wirklichkeit nicht unbedingt als Reich bezeichnen«, schwächte Kastor meine Begeisterung ab. »Ich konnte nur die fensterlose Enge der Räume schlecht aushalten. In der Sphäre ist ein solcher Hokuspokus überflüssig, dort haben wir ja die Weite des Himmels.«
    Als Kastor hinter mir eintrat, verfärbten sich die Wände glutrot. Für eine Schattenschwinge schien diese Veränderung ungefähr so spektakulär zu sein wie für mich, wenn ich den Lichtschalter drückte und der Raum in Licht getaucht wurde. Notgedrungen bemühte ich mich, meine Faszination unter Verschluss zu halten, ich fühlte mich in Kastors Gegenwart ohnehin wie ein überdrehtes kleines Mädchen. Oh, supi Beleuchtung, mächtige Schattenschwinge! Kannst du auch Pink?
    »Warum habt ihr eure Zelte nicht zwischen den Dünen unter freiem Himmel aufgeschlagen, wenn die Enge von Räumen euch zusetzt?«
    Kastor warf einen Blick nach draußen. Dort neigte sich der Strandhafer in der anbrechenden Dämmerung. »Wind, Regen und Kälte gehen im Moment nicht spurlos an Shirin vorbei … und auch nicht an mir, da ich tagtäglich einen Großteil meiner Kraft aufs Neue einbüße. Wir brauchen einen Unterschlupf.«
    Ich musste an Sam denken, bei dem der Alkohol plötzlich Wirkung zeigte. Es hatte ganz den Anschein, als hingen manche Wesenszüge der Schattenschwingen von der Stärke ihrer Aura ab. War diese geschwächt, zeigten ihre Körper menschliche Schwächen. Wie war es wohl, wenn die Aura über die Maßen gestärkt wurde, so wie es beim Schatten gewesen war? Allein die Vorstellung verursachte bei mir eine Gänsehaut.
    Das hintere Zimmer war nicht vergrößert worden, dafür waren die Wände mit einem irisierenden Grün bedeckt. Oasengrün. Es stand leer bis auf ein Bett, über das eine Decke ausgebreitet lag, und einen Stuhl. Darauf saß Shirin, eingehüllt in ein bunt gewebtes Tuch, und blickte gedankenverloren aus dem einzigen Fenster hinaus – mit Blick auf den Leuchtturm. Aber darüber, richtig gelegen zu haben, konnte ich mich bei ihrem Anblick nicht recht freuen. Saß sie etwa die ganze Zeit über reglos da? Unfähig, sich zu rühren oder gar zu reagieren? Bitte nicht!
    »Shirin, du hast Besuch bekommen.«
    Erst nachdem Kastor mir einen Schubs gegeben hatte, traute ich mich, einige Schritte auf sie zuzugehen.
    Keine Reaktion.
    Zum ersten Mal fragte ich mich ernsthaft, wie schlimm die Verletzung war, die Kastor angedeutet hatte. Wenn mir schon Sams Aura erloschen vorkam, dann war bei Shirin nicht mehr als der Nachhall eines Glimmens auszumachen.
    Immer noch keine Reaktion.
    Allerdings auch nicht von mir. Ich stand stocksteif da. Hatte ganz den Anschein, als wäre mein Ego nicht mit ins Zimmer eingetreten. Und das, nachdem ich mit der festen Überzeugung aufgeschlagen war, allein meine Freundschaftsbekundung könnte alles wieder ins rechte Lot rücken.
    »Shirin? Hallo, ich bin’s, Mila. Ich … ich wollte dich unbedingt sehen und das Bild, das ich von dir gemalt habe … irgendwie dachte ich, du möchtest mich vielleicht auch sehen und hast mir deshalb gezeigt, wo ich dich finde.«
    In dem Moment, in dem ich die Hand nach ihr ausstreckte, fuhr ein Beben durch ihren Körper, und Shirin wendete sich mir zu. Die Bewegung ging quälend langsam vonstatten. Vorsichtig, tastend, als erwarte sie jederzeit, einen Schmerz zu verspüren. Oder als fehlte ihr die Energie für ihre ehemals kraftvollen Bewegungen.
    »Ich bin überaus glücklich darüber, dass du gekommen bist, aber es ist besser, wenn du mich nicht anfasst, meine liebe Mila.«
    Dass Shirin sprach, löste eine solche Erleichterung in mir aus, dass ich am liebsten laut gejubelt hätte. »Ach, was«, sagte ich. »Natürlich fasse ich dich an. Das würde ich selbst in der Sphäre tun, obwohl die Berührungen dort ja ziemlich heftig sind.«
    Als ich mich zu ihr hinabbeugte, bemerkte ich noch, wie sie zurückzuckte, doch sie war zu langsam. Ich schloss bereits meine Arme um sie. Sehr vorsichtig allerdings, und selbst dabei bemerkte ich, wie zerbrechlich Shirin geworden war. Es lag nicht allein an ihrer schmalen Silhouette oder an den Augen, die unnatürlich groß in ihrem Gesicht lagen, sondern an der Art ihrer Bewegungen. Aus der einst beeindruckenden Wächterin war ein Geschöpf geworden, das jeden Moment zu zerbrechen drohte.

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