Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse - Heitmann, T: Schattenschwingen - Zeit der Geheimnisse
dich enttäuschen. Ich habe mich für Mila entschieden, aber so wie es aussieht, bin ich als Schattenschwinge nicht unbedingt eine Gefahr für sie. Asami hat mir gezeigt, dass Menschen und Schattenschwingen früher zusammengelebt haben, ansonsten hätte sich nichts an meiner Haltung geändert. Nur so nebenbei erwähnt.«
Immer noch keine Reaktion von Kastor. Es war zum Haare-Raufen mit dem Kerl.
Meine Ungeduld leidlich im Zaum haltend, holte ich mein Katana hervor, das ich in ein Stück orange gebatikten Stoff gewickelt hatte. Echt erstaunlich, was auf dem Dachboden der Levanders so alles zu finden war. Eine wahre Schatzhöhle. Ich überging die Zeremonie, der Klinge meinen Respekt zu zollen, sondern grüßte sie lediglich kurz, als ich sie von der Scheide befreite. Obwohl mir das Herz bis zur Kehle schlug, hielt ich Kastor das Katana hin.
Zum ersten Mal seit meiner Ankunft geriet in seinem Gesicht etwas in Bewegung. Sein Mund öffnete sich, aber nichts kam heraus. Er räusperte sich, dann sagte er: »Das ist ein Wahres Schwert, mir steht es nicht zu, es berühren.«
»Da es mir gehört, treffe ich die Entscheidung, wer es berühren darf. Du bist mein Freund, Kastor, daran hat sich aus meiner Sicht nichts geändert. Ich möchte, dass du es nimmst, damit du siehst, wie es mir seit unserem letzten Treffen ergangen ist.«
Natürlich wäre es möglich gewesen, ihm all dies gedanklich zu übermitteln, doch ich verspürte den Drang, es auf diese Art zu tun. Es war eine Erneuerung unserer Freundschaft und zugleich auch eine Versöhnungsgeste, die mir keineswegs leichtfiel. Mein Katana jemand anderem als Mila anzubieten, beschleunigte meinen Herzschlag derartig, dass ich mich fühlte, als könnte mich jeden Moment der Schlag treffen.
Noch immer zögerte Kastor. Wer konnte ihm das übelnehmen?
Mila, die ein paar Schritte entfernt damit beschäftigt war, Ranuken zu bespaßen, warf mir einen besorgten Blick zu.
Gerade als ich Kastors Absage akzeptieren und das Schwert zurückziehen wollte, legte er die Hand um den Griff. Mit geschlossenen Augen blieb er einige Momente unbewegt stehen, um die Eindrücke aufzunehmen, dann setzte er einen Schritt zurück und durchschnitt die Luft mit der Klinge. Ihr Gesang brachte sogar den glucksenden Ranuken zum Schweigen. Dann gab Kastor mir das Schwert zurück.
»Asami ist ein wahrer Künstler, wenn es um die Schaffung von Schwertern geht, das muss man ihm lassen. Die Klinge ist wunderbar ausbalanciert. Eine edle Waffe, sie passt zu dir.«
Überrascht stellte ich fest, dass ich den Atem angehalten hatte. »Danke.« Mehr brachte ich nicht hervor, dabei galt der Dank nicht nur dem Kompliment.
»Das Ding ist scharf, was?« Ranuken hatte sich neben mich gestellt, die Arme vor der Brust verschränkt.
»Ich hab’s scharf gemacht«, erklärte Mila stolz.
»Sag bloß, dieses krumme Messer reagiert auf die gleiche Weise auf deine Vorzüge wie sein Herr!«
»Ha ha. Und da sag noch mal einer, Zwerge haben keinen Humor.«
»Nun tu mal nicht so, schließlich bist du nur einen halben Kopf größer als ich, Mini-Levander.«
»Ja, aber nur solange deine Haare zu Berge stehen, ansonsten besteht locker ein ganzer Kopf Größenunterschied.«
Mit gerümpfter Nase sah Ranuken mich an. »Deine Freundin ist frech.«
»Das mag sein, aber sie sieht eindeutig besser aus als du, deshalb darf sie das.« Ich begann zu lachen, eigentlich ohne Grund, aber das änderte nichts daran, dass es verdammt gut tat. Vor allem als die anderen mit einstimmten und sogar Kastor sich zu einem Grinsen hinreißen ließ.
»Lass uns jetzt zu Shirin gehen«, sagte er schließlich und klopfte mir auf die Schulter.
Ich war froh, dass Kastor kein Mann der großen Worte war, und auch nicht der großen Mimik oder Gesten. Ihm gelang es mit minimalem Einsatz, klarzustellen, dass zwischen uns wieder alles im Reinen war. Während wir zur Sternwarte gingen, ergriff mich eine Welle der Erleichterung. Kastors Freundschaft war wie er: still, aber von großer Tiefe. Vielleicht konnte man sie erst dann richtig erfassen, wenn man sie fast verloren hatte.
∞∞
Shirin lag auf einem Bett, zusammengerollt wie ein Neugeborenes, die Gesichtszüge von Schmerzen verzerrt. Bei ihrem Anblick kam ich mir so mies vor, dass ich es nicht über mich brachte einzutreten.
Mila gab mir von hinten den entscheidenden Stoß. »Selbstzerfleischung macht nichts besser«, flüsterte sie mir zu. »Schließlich bist du jetzt ja da, um zu helfen.«
Mir lag
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