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Schattenseelen Roman

Schattenseelen Roman

Titel: Schattenseelen Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olga Krouk
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schritt zurück und löste sich in schwarzem Rauch auf.
    Evelyn rieb sich die Augen - jetzt sah sie auch noch Gespenster! Auf wackeligen Beinen schlurfte sie davon, ohne sich umzudrehen, in panischer Angst, dort etwas zu sehen, was sie nicht sehen durfte. Sie dachte an das Schimmern, an den Wunsch, den Mann zu küssen - tödlich zu küssen. Nein, so etwas durfte nie wieder passieren! Noch einen Moment, und sie hätte den Mann umgebracht. Skrupellos, nur um von seiner Lebenskraft Energie zu schöpfen. Sie musste diesen Herzhoff aufsuchen, und zwar jetzt!
     
    Der Professor wohnte in einem Häuschen am Stadtrand, mitten im Grünen, fern von lärmenden Straßen. Das Gartentor quietschte, als Evelyn es öffnete und über einen Kiesweg zum Haus marschierte. Der Rasen verdiente wohl eher die Bezeichnung ›Öko-Wiese‹ - die hiesige Flora-Vielfalt hätte jeden Botaniker in Entzücken versetzt. Unter Obstbäumen stand eine verrostete Hollywood-Schaukel.
    Evelyn sah sich um. Am Fenster des Hauses nebenan bewegte sich eine Gardine, als wäre jemand schnell zurückgewichen. Wurde sie beobachtet? Ja, sicher. Jetzt also auch noch der Verfolgungswahn.
    Eine wildfarbene Katze huschte vorbei und schlängelte sich durch die Hecke hindurch zum Nachbargrundstück. Am Vordach lief Evelyn durch ein Spinnennetz.
Sie klingelte an der Tür, während sie sich mit der anderen Hand eine fette Kreuzspinne aus dem Haar schüttelte.
    Drinnen knarrten die Dielen, die Türklinke klackte, und auf der Schwelle erschien ein alter Mann - vermutlich Professor Herzhoff. Er trug ein weißes Hemd und eine Bügelfaltenhose, als wolle er gerade zu einer Vorlesung aufbrechen.
    »Ah, kommen Sie rein, kommen Sie rein.« Er erstrahlte, wodurch die Fältchen sich noch tiefer in seine Haut gruben, und machte eine einladende Geste.
    Unsicher trat Evelyn in den Flur, in dem es nach Leder, Holz und einem aromatischen Tee roch. Der Mann führte sie in ein Wohnzimmer, vorbei an der Küche im mediterranen Stil, in der ein gedeckter Frühstückstisch stand.
    »Oh«, murmelte Evelyn. »Ich halte Sie wohl vom Essen ab.«
    »Das macht nichts. Ich war schon fertig. Sie sind wohl die neue Putzkraft?«
    »Ich fürchte nein.«
    »Schade, schade.« Ihr Geständnis hielt ihn nicht davon ab, sie weiter in sein Haus zu führen.
    Im kleinen Wohnzimmer schien die Zeit in den Fünfzigern stehengeblieben zu sein. Tüllgardinen, Alpenveilchen auf der Fensterbank, ein Wandschrank und Bücherregale aus dunklem Holz. Gegenüber der Tür - ein Kamin. Evelyn konnte sich gut vorstellen, wie der alte Mann hier seinen Enkeln Geschichten
erzählte. Vermutlich von bösen Gestalten, die in der Dunkelheit lauerten.
    »Möchten Sie einen Tee?«
    »Nein, danke, ich …« Doch der Professor war schon im Flur verschwunden. Kurze Zeit später kehrte er mit einem Tablett zurück. Zwei dampfende Tassen, Kekse, belegte Brotscheiben.
    Hermann Herzhoff stellte das Tablett auf dem Boden ab, setzte sich in einen Ohrensessel und legte sich eine Fleece-Decke über die Beine. Evelyn sah sich nach einem Stuhl um, fand keinen und ließ sich auf dem bunten Teppich nieder.
    »Es tut mir leid, Sie zu stören«, begann sie etwas unschlüssig. Wie sagt man einem Unbekannten, dass man ein Nachzehrer ist und jemanden umbringen würde, wenn man keine Heilung fand? »Wir kennen uns zwar nicht, aber ich habe Fragen, die anscheinend nur Sie mir beantworten können.«
    »Schön, schön.« Er wackelte mit dem Kopf, als hinge dieser an einer Sprungfeder. »Ich dachte schon, ich habe wieder irgendetwas oder irgendjemanden vergessen. Das passiert mir oft in letzter Zeit.«
    »Evelyn Behrens ist mein Name. Sie haben viel über den Mythos der Nachzehrer geschrieben. Das Thema interessiert mich.«
    »Nachzehrer, Nachzehrer.« Anscheinend gehörte es zu seiner Art, einige Wörter zu wiederholen. Er nahm eine Tasse und schlürfte den Tee, wobei er schmatzte, als wolle er die Flüssigkeit auf der Zunge bis in jede
Nuance schmecken. »Über die hat mich schon lange keiner mehr gefragt. Die sind nicht sonderlich populär. Neulich wollte ein Autor was von Vampiren wissen. Er schreibt einen Roman, wissen Sie, und …«
    »Ich schreibe keinen Roman. Mein Interesse ist rein …«, Evelyn schluckte das Wort ›persönlicher‹ nieder, »privater Natur.« Sie traute sich an den Früchtetee. Erstaunlicherweise konnte sie die Flüssigkeit in sich aufnehmen, ohne sich übergeben zu müssen. Vielleicht hatte sie vorhin wirklich nur zu gierig

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